Sie hocken hinter undurchsichtigen Mauern im Dunkeln und wissen nicht, wie ihnen geschieht.
Und du sagst mir, ich solle ein guter Veganer sein und niemanden mit der Thematik belästigen.
Veganismus findest du total okay, außer, wenn man etwas davon merkt. Du kennst viele Veganer*innen, die dir immer direkt erzählen würden, dass sie vegan leben würden und total militant wären. Das ist natürlich ein No-Go. Du findest, dass alle das essen sollten, was sie wollen und hältst dich für tolerant, weil du Veganer*innen auch akzeptierst. Zumindest die guten, die still sind. Und du erhoffst jetzt von mir die Bestätigung, dass ich ebenfalls zu den „Guten“ gehöre. Zu denen, die dir nicht auf die Nerven gehen und stillschweigend akzeptieren, dass deine Ernährung Opfer hat.
Am besten distanziere ich mich auch von den „radikalen Tierrechtler*innen“. Dann erhöhe ich meine Akzeptanz bei dir und allen Zuhörenden. Ich könnte dir nachsprechen: „Ja, ich finde auch, dass alle das essen sollten, was sie wollen und ich kann selbst nicht verstehen, wie manche Veganer*innen so militant sein können.“ Doch ich kann nicht sagen, dass alle töten sollen, wen sie wollen und dass ich nicht verstehen könne, wie man versucht, die hilflosen Betroffenen zu schützen und dann ab und zu mal den Mund aufmacht. Im Gegenteil. Ich bewundere es, wenn Menschen den Mund aufmachen.
Egal, gegen welche Art der Ungerechtigkeit. Und ich bin mir sehr sicher, dass auch der*die militanteste Veganer*in aus deinen Erzählungen im Vergleich zu dem milliardenfachen grausamen Leid noch sehr beherrscht war. Denn es ist kaum möglich, sich angemessen zu verhalten. Zwischen gesellschaftlicher Norm und Akzeptanz und unbeschreiblichem Grauen. Und deshalb werde ich dir nicht helfen können, ein gutes Gefühl bei dem Konsum von Tierprodukten zu behalten. Denn deine Ernährung hat Opfer.
Sie hängen kopfüber in stickigen Räumen, während ihr Blut aus dem Rumpf spritzt. Und du erzählst mir mit ihren Körperteilen auf dem Teller und ihren Körpersäften im Glas, dass wir doch alle Essen können, wen wir wollen. Hiermit möchte ich dir sagen, dass jedes Mal, wenn du diese Wesen isst und niemand etwas dagegen sagt, es sich um eine enorme Leistung der Toleranz von jenen handelt, die ein Gefühl dafür haben, was dahinter steckt.
Aber wie Lobenswert ist die Fähigkeit, bei Ungerechtigkeiten wegzuschauen? Es wird geschwiegen zwischen gesellschaftlichen Konventionen und Normalität im Gegensatz zu dem Bewusstsein größter Ungerechtigkeit. Und ist das wirklich richtig? Sollten wir es nicht als Zivilcourage wertschätzen, wenn wir bei Ungerechtigkeiten einschreiten?
Ich habe großen Respekt vor jenen, die etwas dagegen sagen können und dabei ihr soziales Ansehen riskieren. Denn schweigen bestärkt die Machtverhältnisse. Und wer will schweigen, wenn es Opfer gibt? Wir tun das viel zu oft, bei viel zu vielen Themen.
Wenn du also in ein Stück eines Tierkörpers beißt, dann hat diese Handlung ein Opfer. Und dann ist es das Mindeste, genau darauf hinzuweisen und der verlockenden, verdrängenden Bequemlichkeit ihren Platz zu nehmen. Denn entweder ist dir nicht bewusst, was hinter diesen Produkten steckt, oder du verdrängst es. Und daraus ergibt sich ein gesteigertes Unwohlsein, das du empfindest, wenn die bösen radikalen Veganer*innen ihre „Militanz“ ausüben, oder einfach nur anwesend sind.
Ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn dein positives Selbstbild mit deinen Handlungen kollidiert und du eine Aversion auf mich projizierst. Ich sage dir nur, dass deine Ernährung Opfer hat.
Und deshalb ist es keine persönliche Einstellung, es ist eine moralische Forderung diese Individuen in Ruhe zu lassen. Wie bei jeder anderen Ungerechtigkeit auch. Und wenn jemand ein Tier an den Hinterbeinen aufhängt und im Begriff ist, ein Messer in seine Kehle zu stecken, dann gehe ich gerne dazwischen. Egal ob Hund, Kuh, Katze oder Schwein. Und du?