Es gibt grob 160 gängige Argumente gegen Veganismus (mühsam gesammelt vom Artgenossen; s.u.).
160 „Argumente“, weswegen Veganer*innen doof sind, oder Fleisch essen gut ist.
Wer vegan lebt, wird sie mit der Zeit alle zu hören bekommen. Von totalem Unsinn, wie „Wenn wir die Tiere nicht essen, dann werden es zu viele.“, über extrem ahnungslose, unhinterfragte Aussagen, wie „Man braucht das Eisen aus dem Fleisch.“ und „Milch ist wichtig für den Knochenaufbau.“, vorbei an der bequemsten Reaktion „Ich könnte das nicht.“, bis hin zu etwas kniffligeren ethischen Angriffen, „Wenn du läufst, trittst du auf Ameisen.“
Aber eines haben sämtliche Argumente gemeinsam: Sie haben alle nichts mit der Frage zu tun, ob du vegan werden solltest oder nicht.
Einige Argumente beinhalten logische Fehlschlüsse, andere basieren auf falschen Annahmen und Vorurteilen, und wieder andere verfehlen einfach die Kernfrage.
Wenn du eine omnivor lebende Person bist, die sich noch nicht wirklich mit der Thematik auseinandergesetzt hat, oder an sich eher trotzig dazu eingestellt ist, kann ich dir versprechen, dass du mindestens eine dieser 160 Aussagen in irgendeiner Variante präsentieren wirst, sobald dir jemand sagt, er oder sie sei jetzt vegan.
Das ist auch nicht schlimm, du kannst nichts dafür. Aber du kannst dir sicher sein, dass die Person, der du die vermeintlich kluge Ausrede – um keinen weiteren Gedanken an eine Ernährungsumstellung zu verschwenden – mitteilst, diese schon mindestens zweimal gehört hat (frei erfundene Statistik).
Ich kann dir auch versprechen, dass du das Gefühl haben wirst, eine verdammt plausible Reaktion abgeliefert, und innerhalb einer Sekunde die Lücke im Veganismus, die alle anderen Veganer*innen und Tierrechtler*innen bisher übersehen hatten, gefunden zu haben, aber bitte mach dir nichts vor. In dem Moment, in dem du mit dem Veganismus konfrontiert wirst, steht ein Angriff auf dein Verhalten im Raum. Das ist von der veganen Person nicht unbedingt gewollt, aber es ist auch nicht vermeidbar. Der sogenannte „wandelnde Vorwurf“ zwingt dich zu einer Verhaltensänderung.
Im Grunde steht dann jemand vor dir, der*die seine Ernährung aus auch für dich geltenden (ethischen) Gründen umgestellt hat. Wenn diese Gründe gerechtfertigt sind, dann musst auch du deine Ernährung umstellen, oder du wirst entgegen deiner eigenen ethischen Ansprüche handeln müssen.
Jetzt greifen wahrscheinlich (mindestens) zwei Mechanismen: Zum einen das Streben danach, dass die eigenen Handlungen (ethisch) konsistent sind und zum anderen das unglaubliche Verlangen, Gewohnheiten – insbesondere die gesellschaftlich sehr wichtige und lebenslang fest einprogrammierte Ernährung – beizubehalten.
Wenn man sich klar macht, wie die Reaktion aussehen würde, wenn diese Mechanismen das Zufallsrad der antiveganen Pseudoargumente nicht anwerfen, dann können auch Veganer*innen verstehen, wieso andere Menschen so auf sie reagieren.
Also bleibt nur die einzig mögliche Reaktion: Irgendwie abwehren; irgendwie das Gewissen schützen. Zum Glück zählt es zu den größten Talenten des Gehirns, die eigenen Handlungen als plausibel erscheinen zu lassen.
Ich habe allerdings einen Tipp: Sobald du das nächste Mal mit Veganismus konfrontiert wirst, und deine Abwehrmechanismen einsetzen, tritt einen Schritt neben dich und versuche zu reflektieren. (Das wird nicht beim ersten Mal klappen, das muss man etwas üben, bis man es schafft.)
Dann sieh dir zu, wie du dir eine Ausreden aus den Fingern saugst und deinem Gegenüber beispielsweise erklärst, dass „in Afrika Kinder verhungern“. Wenn das nicht reicht, dann stell dir die ganz simple Frage: „Ist das wirklich der Grund, weshalb ich Tiere töten lasse?“
Und schon hast du die beiden irrationalen Schutzmechanismen überwunden und kannst dich endlich wirklich dem Phänomen des Speziesismus stellen, so wie es dein Gegenüber getan hat. Hier liegt es an dir, wie gut du dich reflektieren kannst. Viel einfacher geht das übrigens, wenn man sich der Realität annähert und die Brücke zwischen dem Stück Fleisch auf dem Teller und dem, neben dem Tisch bettelnden Hund, baut.
Je klarer die Verbindung zwischen dem süßen Schweinchen aus dem Video im Internet und dem vor der Öffentlichkeit verborgenen, kopfüber ausblutenden Lebewesen ist, desto einfacher ist es, die Energie aufzubringen, die für eine Infragestellung einer solch fest verankerten Gewohnheit notwendig ist.
Das erklärt, wieso dich Veganer*innen nerven und wieso widerwillige Konfrontation mit dem Thema aus Sicht der Veganer*in durchaus sinnvoll ist.
Ich hoffe, die Lesenden gewinnen aus diesen Worten ein Stückchen mehr Verständnis und Feingefühl.
Auf beiden Seiten.
PS: Wer dennoch eines dieser 160 Argumente ernst meint, oder sich dafür interessiert, wo genau der Fehler liegt, sollte unbedingt bei Der Artgenosse vorbeischauen und sich dafür bedanken, dass er sich diese Mühe macht. Danke!