Was mich so wütend an Speziesismus macht, ist die Tatsache, dass es so eine willkürliche eklige Diskriminierung ist, dass sie auch einen selbst treffen könnte.
Wie kann ich mich mit meiner eigenen Augenfarbe, Hautfarbe, Schuhgröße oder ähnlichem einigermaßen sicher fühlen, wenn fast jede einzelne Person im Umfeld bei denselben Diskriminierungsmechanismen partizipiert, die mich nur zufällig nicht selbst treffen?
Es gibt keinen einzigen Grund, warum es legitim sein sollte, leidensfähige Individuen kaltblütig zum Vergnügen zu töten, nur weil sie nach unserer biologischen Kategorisierung nicht zur Spezies Homo Sapiens gezählt werden. Plötzlich haben diese Tiere kein Recht mehr auf körperliche Unversehrtheit oder gar auf Leben. Plötzlich dürfen wir mit ihnen machen, was wir wollen. Dürfen sie lebenslänglich ihrer Freiheit berauben und ihnen dann nach einem kurzen traurigen Dasein einen Bolzen in den Kopf schießen oder die Kehle aufschneiden. Wahlweise vergasen oder zerschreddern wir auch Küken, geben Schweinen Stromstöße, entreißen Kälber ihren Müttern oder ziehen ihnen bei lebendigem Leibe die Haut ab.
Es ist so ein widerliches Verhalten und so eine widerliche Einstellung, diese Grausamkeiten zu relativieren und zu legitimieren. Weil wir alle uns so gern für tolle Menschen halten wollen, dürfen wir uns natürlich nicht eingestehen, bei was für einem Gemetzel wir fröhlich mitspielen. Dann erzählen wir ausgedachte Lügen über versklavte Tiere, die so glücklich waren, dass sie freiwillig für uns in den Tod gegangen sind. Wir klammern uns an Labels, deren Versprechen so stumpf und durchschaubar sind, dass es von außen betrachtet einfach peinlich ist, sich daran festzuhalten.
Bio = Alles super toll.
Was für ein Quatsch!
Wir sind natürlich alle Held*innen, wenn wir uns vor einer Freiheitsberaubung mit anschließendem Mord ein Bio-Zertifikat ausstellen lassen. Und da wir uns mit dieser unerträglichen Peinlichkeit, wie wir uns dieses höllische Verhalten rechtfertigen, natürlich nicht selbst konfrontieren wollen, kompensieren wir das durch eine Abneigung gegenüber jenen wenigen Menschen, die versuchen, kein Teil davon zu sein. Bravo!
„Diese Veganer*innen sind doch viel zu extrem. Die wollen allen ihre Meinung aufzwingen, wie verwerflich! Und außerdem ist es natürlich unverständlich, wieso es Sojawürstchen gibt. Lasst uns darüber empören und den Veganismus verurteilen! Und insbesondere jene, die sich wirklich gegen Tierquälerei engagieren und dementsprechend auch mal etwas dazu sagen. Anderen ihre Idee von Gewaltfreiheit ‚aufzuzwingen‘ ist doch viel zu militant. Wir zwingen lieber nur Tiere zur Sklaverei und dem Tod.“
Was ist denn das für eine Welt?
Mir ist klar, dass wir alle unseren Stolz haben, sowie an unserem positiven Selbstbild festhalten. Aber milliardenfaches Leid an Tieren, nur weil sie genetisch kategorisiert werden, ist so eine eklige, willkürliche Abwertung, dass es mir große Angst vor der Gesellschaft bereitet.
Wir wissen doch von uns Menschen, dass wir mit den dümmsten Begründungen unsere Empathie vollständig ausschalten können und willkürlich Betroffene unfassbar Brutal und unbeschreiblich eklig behandeln können. Und niemals sieht sich irgendjemand als „böse“.
Es wird doch Zeit, dass wir die Reife besitzen, diese Phänomene zu durchschauen und sie zu überwinden. Und unseren Stolz sowie ein kurzes gewohntes Geschmackserlebnis verdammt noch mal nicht über das Leben anderer stellen. Hinrichten und Misshandeln für Kuhmilch, Eier, Käse und Fleisch, sowie alle Produkte, die das beinhalten, einfach aus Gewohnheit und weil es uns doch schmeckt?
„Darauf könnte ich nicht verzichten.“
Das tut mir leid, dass es ein bisschen anstrengend ist, seine Gewohnheiten zu ändern. Aber in welchem Verhältnis steht dein Verzicht auf gewisse Luxusprodukte im Vergleich zu dem Verzicht auf Leben? Wieso erwartest du, dass die Begründung, du könnest nicht verzichten, hingenommen wird, während du den viel gewichtigeren Wunsch nach Leben selbst missachtest? Und wenn ihr selbst zu einer Gruppe gehört, die solche Gewalt erlebt, wie würdet ihr dann diese Rechtfertigungen wahrnehmen?
Würdet ihr nicht in unfassbarer Verzweiflung hoffen, dass andere statt der Relativierung und Rechtfertigung mit für eure Interessen einstehen?
Lassen wir den Stolz doch einfach beiseite und hören auf mit diesem Mist! Ich bin nicht perfekt, ich fand selbst unzählige Ausreden dafür, nicht vegan zu leben, obwohl ich konnte. Und ich finde auch jetzt noch weiter Ausreden für Dinge, die nicht korrekt sind. Aber irgendwann müssen wir erwachsen werden und Verantwortung übernehmen. (Wobei „erwachsen werden“ eher ein Hindernis zu sein scheint, so sind es doch insbesondere Kinder, die die Ehrlichkeit und Bereitschaft besitzen, ihrer Empathie entsprechend zu handeln.)
Also reißt euch zusammen, verkneift euer „Mimimi“ und euer Veganer*innenbashing und hört auf, Tierprodukte zu essen!