Es tut mir leid, doch ich bin nicht perfekt.
Doch „ich bin nicht perfekt“ ist keine Ausrede für einen Stillstand.
Und Perfektion ist kein Ziel, das man erreichen muss, gibt aber einen sinnvollen Weg vor, den man beschreiten kann.
Mainstreamethik bietet für jede*n eine Plattform. Jede*r ist willkommen.
In der Mainstreamethik spricht man Dinge aus, über die allgemeiner Konsens besteht. Die Mehrheit bejubelt mainstreamethische Statements.
Die kritisierten Minderheiten können verurteilt werden und niemand hat etwas dagegen.
„Hör auf dein Kind zu schlagen!“, „Hör auf deinen Hund zu quälen!“, „Kinderpornos sind verboten!“, „Schwarze sind auch Menschen!“, „Frauen haben auch Rechte!“.
Wer unter diesen Aspekten ethisch verwerflich handelt, fällt auf, und jede*r Bürger*in darf seinem Gerechtigkeitssinn nachgehen und den Zeigefinger heben, einschreiten und für Besserung kämpfen.
Doch das, was die Mehrheit tut oder nicht tut ist nicht automatisch mit ethischen Ge- und Verboten gleichzusetzen. Es gibt auch noch die Erkenntnisse, zu denen man ab und an durch nachdenken gelangt. Und die müssen nicht immer der spontanen, unhinterfragten Meinung der Mehrheit entsprechen.
Wir haben die Verantwortung auch über Moral nachzudenken, die gegebenenfalls dem eigenen Verhalten und der Mehrheit widerspricht. Denn im Grunde kann es ohne das nie einen Wandel geben.
Es gab Zeiten, da hätte jede*r von uns aus heutiger Sicht „der*die Böse“ sein können, indem er*sie einfach den „zeitgemäßen“ Normen gefolgt wäre. Wer in einer Gesellschaft aufwächst, in der Frauen keine Rechte haben, oder in der Schwarze Sklaven sind, für den klingt es natürlich total merkwürdig, wenn auf einmal jemand mit einer anderen Idee ankommt.
Da braucht man sich nichts vorzumachen, wir alle hätten so jemand sein können. Die Frage ist, wie wir damals damit umgegangen wären.
Wären wir so jemand geblieben?
Aus heutiger Sicht ist es viel zu einfach, die Vergangenheit zu verurteilen. Doch es ist vermessen zu glauben, dass die psychologischen Effekte dahinter damals jeden betrafen und heutzutage niemanden mehr. Wir sind dieselben Menschen wie damals, wir machen dieselben Fehler und wir dürfen nicht glauben, alle Fehler direkt erkennen zu können, wenn wir unser Leben lang damit aufwachsen.
Wir müssen offen bleiben für Bewusstseinswandel, damit Prozesse wie die Abschaffung der Sklaverei und das Erkämpfen von Frauenrechten auch heutzutage noch funktionieren würden und es sollte möglichst schnell gehen können.
Wenn ich meinen Mund aufmache für empfindungsfähige Wesen, dann sage ich damit nicht, dass ich perfekt sei. Ich weise nur auf etwas hin, das falsch läuft und ich möchte diesbezüglich einen Wandel anregen. Und ich möchte mir bewusst sein, dass auch jenseits der Thematik um die es geht noch viel existiert, was ein Umdenken erfordert.
Und jede*r, der*die so etwas erkennt, soll sich dafür einsetzen und jede*r andere soll dafür offen sein.
Wie sonst soll es jemals zu einer mehr oder weniger akzeptablen Welt kommen können.
Und von niemandem, der sich für etwas einsetzt, was nicht der Mainstreamethik entspricht, sollte erwartet werden, dass er*sie leise ist, aufgrund seiner sonstigen Fehler. Was ergibt das für einen Sinn? Wenn man einen Mord kritisiert, will man doch auch nicht mit dem Vorwurf mundtot gemacht werden, man selbst sei auch nicht perfekt und dürfe deshalb keine Aussage über die Verwerflichkeit vom Töten machen.
Können wir nicht versuchen, uns für Kritik und Ethik zu öffnen und uns unsere Fehlbarkeit zwar eingestehen, aber dabei nicht resignieren?
Daran möchte ich für mich arbeiten und andere können das auch sehr gerne tun.
Man darf nicht vergessen: Die Moral über die heute und hier allgemeiner Konsens herrscht, war nicht immer selbstverständlich.