Woran erkennt man Fleischessende?
Sie fragen dich sofort, woran man Veganer*innen erkennt.
Mir ist ein sehr interessantes Phänomen aufgefallen, als ich gerade dabei war, Lebenserfahrungen zu sammeln.
Nehmen wir mal eine*n Veganer*in und setzen ihn an einen Tisch mit Fleischessenden.
Was würde passieren?
Ich höre ja von allen Seiten ständig, dass Veganer*innen immer das Essen schlecht machen und jeden Menschen vom eigenen Standpunkt überzeugen wollen.
Aber wie läuft das in Wirklichkeit ab?
Wird sich der*die Veganer*in in unterzahl denken:
Cool! Eine ideale Gelegenheit, um mich unbeliebt zu machen und alle zu nerven! Motiviere ich meine Tischnachbar*innen doch einmal, auf mir herumzureiten!
Oder trifft eher die zweite Antwortmöglichkeit zu, dass er*sie sich am liebsten wünschen würde, das Thema käme nicht auf den Tisch, um sich nicht wieder rechtfertigen zu müssen und um nicht wieder für das darauf folgende Stimmungstief verantwortlich gemacht zu werden?
Es ist sicherlich zweiteres der Fall, aber dann fragt man sich doch, woher die ganzen Veganer*innen ihren Ruf haben?
Ich habe eine unglaubliche Beobachtung gemacht!
Während alle nun vor sich hin kauen und gerade keine angeregte Diskussion über Gott und die Welt stattfindet, wird es irgendwann den Moment geben, in dem Metakommentare über das Essen oder die Situation stattfinden. Oft wird bemerkt, dass ein Gericht besonders lecker sei, oder auch, dass es schön ist, mal wieder zusammen zu essen.
Und während also darüber nachgedacht wird, inwiefern das Essen lecker ist, oder auch nicht, ist es unausweichlich, festzustellen, dass eine anwesende Person irgendetwas nicht probieren kann. Oder, sofern es ein veganes Essen ist, wird explizit festgestellt, dass es lecker ist, OBWOHL es vegan ist.
Damit ist der Grundstein für das Thema gelegt, und der Begriff „vegan“ schwirrt nun durch alle anwesenden Köpfe. Die Gehirne laden alle möglichen Assoziationen und Erfahrungen mit dem Begriff, das Gewissen springt bei einigen Leuten auch an. Und sofort, wenn auch ungewollt, steht die implizierte Kritik an den Lebensmitteln im Raum, die die Anwesenden wahrscheinlich gerade noch zuvor beim Frühstück verdrückt haben.
Der*die Veganer*in beißt sich wahrscheinlich schon auf die Lippe und hofft, dass es keine Eskalation geben wird. Vergebens.
Die Tischnachbar*innen projizieren jegliches, durch den Gedanken ausgelöstes Unwohlsein auf den anwesenden Pflanzenfressenden.
Nun gibt es mehrere Möglichkeiten, was passieren kann.
Ganz oft wird die leicht gespannte Atmosphäre und das dezent belastete Gewissen durch die Beschwerde zu durchbrechen versucht, dass das Schlimme am Veganismus die Veganer*innen seien, die allen die eigene Meinung aufzwingen wollen und immer direkt das Thema auf den Tisch – im wahrsten Sinne des Wortes – bringen müssen.
Für den aussprechenden Fleischessenden wird sich das wie ein Ausdruck der Akzeptanz des Veganismus und eine Entlastung des Gewissens anfühlen.
Für die vegane Person wird das wie ein Angriff klingen und sie wird sich eventuell missverstanden und kategorisiert fühlen.
Ich kenne so viele vegan lebende Menschen, die den Alltag nach der Devise „Jeder muss das selbst entscheiden. Ich versuche vorzuleben.“ bestreiten.
Und ich kann es nachvollziehen. Denn der äußere Druck und das Gefühl, unverstanden zu sein kann sonst unerträglich werden.
Jene Veganer*innen würden eben das erklären. Sie würden erklären, dass sie das nur für sich tun wollen. Aber auch das wird einen fleischessenden Menschen belasten.
Man darf sich nicht wundern, warum man selbst mit dem passivsten Veganismus keine Ruhe hat.
Die Haltung als solche strahlt Kritik aus. Man ist ein wandelnder Vorwurf.
Ich denke, das Einfachste ist, sich darauf einzulassen und seinen Umgang damit zu finden.
Dann gibt es da natürlich noch die „militanten Veganer*innen“.
Aus der anderen Perspektive sind damit im Grunde alle gemeint, die Veganismus nicht für eine persönliche Entscheidung halten und das auch nach außen vertreten.
In diese Kategorie würde ich mich tendenziell selbst einordnen. Und säße ich dort an dem gedachten Tisch und würde sich dann jemand über „missionierende“ Veganer*innen beschweren, ich würde mein Bestes geben, zu erklären, warum es richtig ist, sich aktiv für Tierrechte einzusetzen. Und warum es sich eben nicht um eine Lieblingsfarbe handelt, sondern um eine Ethik.
Natürlich würde ich dabei nicht wild um mich schlagen, sondern all meinen Charme herausholen.
So sieht zumindest die Theorie aus.
In der Praxis muss man daran denken, dass sowohl die Bemerkungen von den Fleischessenden den*die Veganer*in hart treffen können, auch, wenn die somit angreifende Person sich darüber nicht bewusst ist.
Ebenso greift aber auch jede Handlung und jedes Wort der veganen Person das Gewissen und die Gewohnheiten der Fleischessenden an.
Pflanzenfresser*innen haben somit nun mal die Verantwortung für das Unwohlsein der Fleischesser*innen.
Und Fleischesser*innen haben nun mal die Verantwortung für den eigenen Ernährungsstil und das daraus resultierende Leid und die Umweltschäden.
Wer in Ruhe zusammen essen will, ohne über diese heikle Angelegenheit zu diskutieren, oder wer beim Essen wenigstens konstruktiv und in angenehmer Atmosphäre über diese Thematik diskutieren will, sollte mit offenen Karten spielen und viel Empathie und Einfühlungsvermögen mitbringen, oder aber einfach sagen „Lasst uns nicht beim Essen darüber diskutieren.“
In den meisten Fällen werden aber Missverstehen, Unwohlsein, Verzweiflung, Ignoranz und aufgestauter Frust den Kern der Diskussion ausmachen.
Und die Fleisch Konsumierenden werden Veganer*innen mit noch unangenehmeren Situationen assoziieren, und die Veganer*innen werden noch mehr Frust in sich tragen müssen.