Haustiere vegan ernähren?
Das Thema der Haustierernährung ist bemerkenswert polarisierend.
Weshalb ist die Ernährung dieses einen Wesens so unglaublich mitreißend?
In dem Sinne, dass man sich sorgt, ob das Essen für das Tier gesund ist. Optimistisch würde ich das so interpretieren, dass die Empathie, die Mensch gegenüber nichtmenschlichen Tieren hat, doch so groß sein kann, dass sich darum gesorgt wird, ob das Futter dem Tier Bauchschmerzen bereitet oder nicht. Für Menschen, die mit Tieren zusammenleben, klingt das vielleicht recht selbstverständlich, aber das ist es mitnichten. Die Bereitschaft, nichtmenschlichen Tieren die grausamsten Dinge zuzumuten und sie zu relativieren, ist bei der Allgemeinbevölkerung sehr hoch. Wir leben immer noch in einer Welt, in der ein Leben eines nichtmenschlichen Tieres weniger Wert ist, als „Geschmack“. Und die meisten Menschen würden spontan sagen, sie fänden es okay, Tiere zu töten, solange sie „Bio“ gelebt haben und somit ein paar Zentimeter mehr Platz in ihrer Gefangenschaft haben. Menschen dieser Einstellung, aber auch vegetarisch oder vegan lebende Menschen, haben oft ausgeprägte Meinungen zu der Frage der Haustierernährung.
Ich möchte ein Gedankenexperiment konstruieren: Stellen wir uns vor, wir hätten ein Tier zu Hause, das sterben würde, wenn es kein Fleisch bekommt. Würden wir dem Tier Fleisch geben? Der Fehler, den viele begehen, ist, dass sie an dieser Stelle vergessen, dass das andere Tier, das das „Fleisch“ sein wird, dafür sein Leben lassen müsste. Stünden also beide Tiere nebeneinander, so wäre das keineswegs eine einfache Entscheidung. Es wäre eine Dilemma-Situation. Das eine Tier stirbt, wenn man das andere nicht tötet. Und diesem Dilemma entkommt man nicht. Nebeneinander stehen also das Schwein, dessen Reste im Hundefutter oder Katzenfutter landen würden, und der Hund oder die Katze. Dann geben wir der Person, in deren Händen die Ernährung der Tiere liegt, ein Messer. Wenn diese Situation gegeben ist, dann kann man anfangen, vernünftig über die Ernährung der Tiere zu debattieren. Es kann nicht richtig sein, sofortiges Entsetzen aufzubringen, dass eine Ernährungsform vielleicht nicht „artgerecht“ sei, wenn es beispielsweise um die vegane Ernährung für Hund oder Katze geht.
Das mindeste, was man tun kann, ist doch, sein Bestes zu geben, einen Ausweg aus der Situation zu finden.
Zum Beispiel, indem man es schafft, dem Hund oder der Katze Pflanzen zu geben, damit alle Tiere überleben. Somit sollte mindestens ein erheblicher Aufwand in die Realisierung der veganen Haustierernährung gesteckt werden. Wenn es eine (zu) große Herausforderung ist, das zu realisieren, dann sollte man abwägen: Nutzt man jetzt lieber das Messer und tötet das Schwein, weil die Alternative zu anstrengend ist? Ein Dilemma wird es aber erst dann, wenn wirklich feststeht, dass es beim aktuellen Stand der Haustierlebensmitteltechnik noch nicht möglich ist, ein spezielles Tier zu ernähren, ohne andere Tiere dafür zu töten. Und dann wäre es nicht einfach zu sagen, welches Tier nun sterben soll. Denn wieso sollte das eigene Haustier mehr Wert sein, als sein potentielles Essen, nur weil das Haustier einen Namen hat und das andere Tier eine weggesperrte Nummer ist?
Natürlich ist es einfacher, ein Tier sterben zu lassen, das man nicht kennt, aber das macht es in der Theorie nicht unbedingt richtiger. Das „Haustier“ über das „Nutztier“ zu stellen ist speziesistisch. Und bei Hund und Katze geht die Debatte meines Wissens nach eher darum, ob das Tier mit der Ernährung seine maximale Fitness erreicht oder nicht, oder ob es Bauchschmerzen bekommt. Es geht oft nicht um Leben und Tod. Nüchtern betrachtet entscheidet man also im Worstcase „nur“ zwischen Bauchschmerzen des Haustieres und Tod des „Nutztieres“.
Der einzige Grund, der das Ganze so schwierig und emotional macht, ist die Nähe zu dem Tier, das man kennt. Man kann es nun mal nicht wirklich verurteilen, wenn sich jemand in Dilemma-Situationen für den Menschen oder das Tier entscheidet, das er*sie gern hat. Aber das Mindeste, was man erwarten sollte, wäre eine gewisse Bereitschaft, Energie aufzubringen, um beide am Leben zu lassen.
Darum ergibt es Sinn, sich über eine tierleidfreie Ernährung für das eigene Haustier zu informieren und mit größter Mühe zu versuchen, diese umzusetzen. Egal, wie skeptisch man zunächst ist.