Wer erinnert sich an die Zeit als Kind?

Als wir noch Ehrlichkeit, Authentizität und Mitgefühl hatten? Damals, als wir über die Hälfte des Platzes im Bett unseren Kuscheltieren überließen? Und die Fürsorge, die wir ihnen gegenüber Empfanden? Weil wir in ihnen empfindsame Wesen sahen. Und die Sorge, dass ihnen nachts kalt sein könnte, wenn sie auf dem harten Zimmerboden liegen blieben?

Was ist seit dieser Zeit passiert, dass wir jetzt so eiskalt und grausam sind? Was ist passiert, dass wir echte empfindungsfähige Wesen nun kaltherzig gefangen halten und umbringen lassen können, ohne mit der Wimper zu zucken? Um sie anschließend zu essen? Wie enttäuscht wären wir als Kinder gewesen, wenn wir wirklich begriffen hätten, woher das Stück Fleisch auf unseren Tellern kam? Während wir die Kuscheltiere im Bett zudecken und uns von ihnen verabschieden, wenn wir gehen. Oder wenn wir mit Haustieren zusammen gelebt haben, mit denen wir eine echte Verbindung, bzw. eine Freundschaft hatten? Zweiteres bleibt glücklicherweise in einigen Fällen über die Kindheit hinaus bestehen.

Aber was wäre, wenn unsere Eltern, die wir gern als Held*innen sahen, uns verdeutlicht hätten, woher der Käse kommt? Dass es nicht nur Kuscheltiere gewesen wären, sondern wirkliche Individuen, wie der Familienhund, mit dem wir vielleicht zusammen aufgewachsen sind. Diese Wesen, die wir als Kind mit unserem Leben verteidigt hätten, nicht nur vor Leid und Tod, sondern schon vor Kälte, harten Böden und Einsamkeit, werden nun misshandelt. Und unsere Eltern hätten nichts dagegen getan. Schlimmer noch: Sie wären dafür verantwortlich. Sie würden uns erzählen müssen, dass die Kuh-Mama ein Kind bekommen hat und Milch dafür produziert. Und wir diese Mutter dann einsperren, die Milch abpumpen und ihr Kind verschleppen und töten. Für die Frühstückszerealien, die wir als Kind gerade essen, während wir fassungslos, mit Tränen in den Augen zuhören.

Ich kann den Schmerz in den Kindesaugen nachfühlen. Das Weltbild, das zusammenbricht, die Ungerechtigkeit und das Unverständnis, das wir fühlen würden. Vielleicht das erste Mal in unserem naiven Kinderleben. Wir hätten die Menschen wach rütteln wollen. Wir hätten gewollt, dass sie aufhören. Angeschrien hätten wir sie dafür, bis zu den Tränen. Wir hätten die Welt verändern wollen. Aber was ist stattdessen passiert?

Stattdessen hat die Welt uns verändert. Wir haben uns an das Übel angepasst und gewöhnt. Uns blieb vielleicht nichts anderes übrig, um die psychische Gesundheit einigermaßen über die Jugend hinweg zu erhalten. Die Schutzmechanismen und die Fähigkeit, sich an eine Gesellschaft anzupassen und in ihr einigermaßen klar zu kommen, hat uns nun ignorant gemacht. Zynisch und kalt.

Es wird Zeit, dass wir nun die Stärke zeigen, das Übel wieder angemessen wahrzunehmen. Und unsere erlangte Mündigkeit zu nutzen, um die Welt ein kleines Stück zu verbessern. Wir sollten mindestens aufhören, selbst ein Teil davon zu sein. Dann könnten wir den ganz jungen Generationen guten Gewissens gegenüber treten, weil wir dann nicht nur ihr Mitgefühl erhalten und wertschätzen können, sondern zusätzlich einen Teil zur Sicherung ihrer Zukunft beitragen und der Held*innenrolle, in der sie uns sehen wollen, ein kleines Stück näher kommen.