Was ist mit glücklichen Hühnern?
Mit Hühnern, die komplett frei sind und bei denen die männlichen Küken nicht geschreddert werden?
Mit Hühnern, die nicht zu Turbo-Power-Eierlegemaschinen mit kurzer Lebenserwartung herangezüchtet wurden und die nur ab und zu mal ein Ei legen, das dann vielleicht nicht befruchtet wird, sodass es als Abfallprodukt einfach nur herumläge?
Wäre es in Ordnung, das zu essen?
Aus irgendeinem Grund scheint das eine sehr beliebte Frage zu sein.
Aber ist sie ernst gemeint? Also welchen Sinn hat diese Frage?
Kann sich die Person diese Frage nicht selbst beantworten?
In der Regel ist doch der einzige signifikante Unterschied jener, dass ich keine leckeren Dinge mehr esse, und die Person, die diese Frage ausformuliert, schon. Aber deswegen muss doch nicht das komplette Moralempfinden verdreht sein. Oder?
Anscheinend wird das zunächst aber angenommen.
Hiermit möchte ich behaupten, dass dem im Normalfall nicht so ist.
Liebe vegan interessierte Person, deine Ethik unterscheidet sich höchstwahrscheinlich nicht erheblich von der einer vegan lebenden Person. Wahrscheinlich bewertet ihr ähnliche Dinge auch moralisch ähnlich.
Der*die typische Veganer*in hat sich oft einfach nur angeschaut, inwiefern Tiere gefoltert werden und möchte dies nicht mehr unterstützen. Die Frage nach der idealen, in jeder Hinsicht leidfreien Ei-Entwendung ist in diesem Aspekt also völlig trivial ethisch vertretbar. Da würde dir sogar ein*e Veganer*in zustimmen.
Warum aber ist die Frage trotzdem so schwierig zu beantworten?
Man muss zugeben, dass diese Frage wie eine Fangfrage wirkt. Als würde die interessierte Person auf verquere Weise nach der Erlaubnis fragen, weiterhin Eier essen zu dürfen. Ja, es wirkt so, als würde die Frage dann auf den eigenen Konsum projiziert.
Ja, wenn dabei wirklich an keiner Stelle Leid entstünde, dann wäre da sicher wenig dran auszusetzen.
Gut, dann kann ich ja weiterhin Eier essen.
Aus Angst vor dieser Reaktion kann das Antworten teilweise komplizierter sein. Denn die von der Frage implizierte heile Welt existiert nicht. Mit zufällig übrig gebliebenen, leidfreien Eiern, die es im Grunde nur geben kann, wenn die Mutter verstorben ist, wird niemand Geld machen können.
Und auch, wenn man sich einredet, den „artgerecht“ gehaltenen Biohühnern würde es entsprechend gut gehen, befindet sich dennoch in jedem zweiten Lebensmittel Eigelbpulver, das sicherlich nicht von diesen überglücklichen Hühnern stammt.
Wie soll es allgemein überhaupt möglich sein, ein Huhn wirtschaftlich (aus)zu nutzen, ohne ihm Leid zuzufügen?
Wie wirkt man der steigenden Population ohne Töten oder Zermetzeln entgegen, wenn ein Hahn aktiv ist?
Und ist es nicht schon allein verwerflich, dass das Huhn nur deshalb wirtschaftlich interessant ist, weil es aufgrund des Nesttriebs die unzähligen Eier (zum Leidwesen des Organismus) nachlegen will, die wir Menschen wegfressen?
Überhaupt würde ich meinen, dass das ideale – einsam zurückgelassene – Ei, wovon man dann vielleicht eines im Monat finden kann, wenn man mit größtem Energieaufwand durch die Wildnis irrt, und die 3 Tropfen Kuhmilch, die von allein aus dem Euter einer freien Wildkuh getropft sind, dessen Kalb nicht aufgeschlitzt und als Essen verkauft wurde, sich einfach nicht lohnen.
Ja, anfangs ist die Gewohnheit bzw. die Sucht nach solcher Nahrung noch stark, aber mit der Zeit hat man kein so großes Verlangen mehr, das einen solchen Aufwand rechtfertigt. Oft wirken diese „Lebensmittel“ dann sogar sehr bizarr und man entwickelt einen Ekel.
Wenn du, liebe vegan interessierte Person, gegen das Leid von Hühnern bist, dann solltest du es am besten nicht mit deinem Geld unterstützen. Dafür darfst du aber gern das unbefruchtete Ei, das aus einem Vogelnest in deinem Garten gefallen ist, verspeisen.
Guten Appetit!