Es wird immer anstrengender und immer schwieriger.
Immer unangenehmer wird es, Menschen beim Verkosten toter Tieren zuzusehen.
Aus dem Lächeln, das ich mir immer aufgesetzt hatte, wachse ich langsam heraus.
Es passt nicht mehr.

Ich darf nichts sagen, sonst zerstöre ich im besten Fall nur die Atmosphäre und im schlimmsten destabilisiere ich die zwischenmenschlichen Konstrukte, die die Gruppendynamik im Gleichgewicht halten.

Also zwänge ich mich in dieses Lächeln hinein. Jede Empathie zu den ehemals lebenden Wesen, die nun zerstückelt auf verschiedenen Tellern verteilt sind, muss ich ausschalten.

Ich verstehe die Atmosphäre nicht. Ich weiß nicht, wo ich mich emotional aufhalten soll.
Bei den heiteren Menschen, die sich unbedacht amüsieren, oder bei den bereits verhallten Todesschreien der Tiere, die der unbeschreiblich grausamen Gewaltindustrie chancenlos zum Opfer fielen?
Ebenso chancenlos, wie wir Menschen. Sowohl jene, die sich darüber bewusst sind, aber gegen Windmühlen kämpfen, wie auch die, die sich unreflektiert zu Gewalt und Gewaltakzeptanz führen lassen.

Es liegt eine verwirrende Mischung aus Freude und Leid in der Luft.
Ich kann mich nicht mitfreuen, ich kann nicht weinen.
Das Lächeln funktioniert nicht mehr.

Bei gemeinsamem Essen bin ich nicht ich selbst. Ich kann nicht aussprechen, was ich denke,
ich kann nicht zeigen, was ich fühle, ich finde Humor zu unpassend, um mitlachen zu können.

Ich stehe neben mir, versuche meine Mahlzeit zu genießen, und meinen Kopf auszuschalten.

Es wird sowohl einfacher, weil ich es lerne, als auch schwieriger, weil ich es immer weniger akzeptieren möchte. Wahrscheinlich handelt es sich um ein labiles Gleichgewicht.

Ich weiß nicht, ob das so bleiben wird, oder ob das Gemüt meines zukünftigen Ichs in eine Richtung gekippt sein wird.

Aber ich weiß, dass ich einige Dinge nicht länger schweigend im Raum stehen lassen kann und sollte. Da reicht meine selbst erzwungene Gleichgültigkeit nicht mehr aus, und die Aufrechterhaltung der positiven Atmosphäre verliert an Priorität.

Wenn ein totes Tier mit „Das habe ich mit Liebe zubereitet“ kommentiert wird, werde ich meine Gedanken dazu aussprechen, statt sie herunterzuschlucken!