Ich stehe im Park und sammle Müll auf.

Wie damals in der Schule auf dem Pausenhof, mit diesen abgefahrenen Zangen, dank derer man sich weder bücken, noch den Müll berühren muss. Damals interpretierten wir diese Geräte etwas anders. Die Verpackungsreste auf dem Boden waren Nebensache, wichtiger waren die Schnürsenkel der anderen Kinder. Oder ihre Ohren. Heute bin ich älter. Damals hätte ich “spießiger” gesagt, denn inzwischen stehe ich hier wirklich wegen des Mülls. Inzwischen habe ich die Dimension der Umweltverschmutzung etwas besser verstanden und erkannt, dass der Park für Mensch und Tier angenehmer ist, ohne, dass weggeworfene Einwegplastiktüten im Winde herum wehen. Obwohl das schon etwas Schönes an sich hat. Wie harmonisch sie da herumsegeln, als wären sie einfach frei. Aber warum existieren sie überhaupt?

Manchmal sehe ich im Laden Menschen, die eine Tüte greifen und einen Apfel hineintun. Einen einzigen Apfel. Oder meinetwegen auch zwei.
Warum? Tut man das, um die Äpfel zu bündeln? Oder damit sie nicht dreckig werden, wenn sie das Kassenband berühren? Wieso nimmt man nicht die Äpfel in seine Tasche oder seinen Einkaufswagen, legt sie aufs Band und wäscht sie meinetwegen, bevor man sie essen will. Das tut man ja meist sowieso. Das sind die einzigen beiden Begründungen, die mir einfallen. Aber dann sehe ich Menschen, die einen Bund Bananen in eine Tüte tun. Und schon zerplatzen meine Hypothesen. Es ist wahrscheinlich alles automatisiert. Ebenso automatisiert, wie ich den Müll auf dem Boden anvisiere und in meinen tragbaren Mülleimer befördere, während meine Gedanken abschweifen.

Wir müssen klein anfangen. Wenn wir alle regelmäßig Müll aufsammeln würden, dann wäre der Planet sauber. Vielleicht käme man dann auch auf die Idee, nicht so rücksichtslos damit umzugehen und ihn einfach gar nicht erst zu erzeugen, oder zumindest nicht in die Wälder und Meere zu streuen. Zumindest werden wir Menschen etwas auf diesem Planeten zurücklassen, auch wenn wir lange schon gegangen sein werden. Für andere Wesen wird unsere zurückgelassene Plastikwelt sicher ein spannendes Forschungsgebiet sein.

Während ich versuche, an einen alten Kaffeebecher, der in einem Gebüsch fest hängt heranzukommen, spricht mich jemand an und reißt mich aus meiner Gedankenwelt.
“Entschuldigen Sie, was machen sie dort?”, fragt er.
“Ich versuche den Park von Müll zu befreien.”, erkläre ich meine offensichtliche Tätigkeit.
Wider Erwarten entgleisen seine Gesichtszüge. “Warum das denn?”, fragt er aufgebracht?
Er lässt mir wenig Zeit, um meine Sprachlosigkeit auszudrücken und fährt fort.
“Wissen Sie nicht, dass es größere Probleme auf der Welt gibt?”
“Ähm..”, erwidere ich schlagfertig.
“Menschen sterben! In Afrika verhungern Kinder! Und Sie stehen hier und sammeln Müll in einem Park ein.”
“Ich.. äh..”, versuche ich überfordert, einen Satz zu beginnen.
“Unfassbar! Warum setzen Sie sich nicht für etwas Wichtigeres ein?”, kopfschüttelnd und empört verschwindet die Person.

Ich brauche zwei Minuten um mich zu sammeln. Verschwende ich meine Zeit mit unnützen Dingen?

Als ich zu Hause bin recherchiere ich, was die wirklich großen Probleme der Welt sind und was ich dagegen tun kann. Mir begegnet die weltweite soziale Ungleichheit, die Gülleverseuchung und Gefahr durch Antibiotikaresistenz und das Leid durch die Tierindustrie, die Verschmutzung der Meere durch unser Plastik und die potenzielle Gefahr durch künstliche Intelligenzen.”Ha! Plastik ist doch dabei!”, denke ich mir.

Einen Monat später stehe ich für Tierrechte auf der Straße und versuche, über die massiven Auswirkungen auf Umwelt und die Qualen der Tiere aufmerksam zu machen. Derweil habe ich auch aufgehört, für das Töten von Tieren zu bezahlen.

Ich sehe, wie eine Frau mich stirnrunzelnd anblickt und auf mich zukommt.
“Entschuldigen Sie, es gibt Wichtigeres auf der Welt! Menschen sterben!”