“Renn!”, schrie ich!
Panisch stolperten wir durch das Gestrüpp, die Verfolger*innen waren uns dicht auf den Fersen.
Meine Beine donnerten über den Boden, ohne dass ich sie wirklich spürte.

Meine Gedanken schrien mich an, schneller zu rennen.
Ich wusste kein Ziel, Hauptsache weg und bloß nicht stehen bleiben.

“Ich kann nicht mehr!”, schrie mein Bruder.
Ohne Aussicht auf ein Versteck oder ein Entkommen aus der Situation war uns das Aufgeben so nahe, denn wir waren schon lange gerannt.

“Halte durch! Bitte!”, schrie ich zurück. “Wir dürfen nicht sterben!”.

Zur eigenen Todesangst kam nun noch die brennende Panik hinzu, meinen Bruder zu verlieren.

Wir hörten Schüsse fallen, sie mussten direkt hinter uns sein.

Ich wollte nur, dass es aufhört. Ich wünschte, ich würde einfach aus diesem Alptraum aufwachen.
Das intensive Atmen tat höllisch im Hals weh und doch ging dieser Schmerz im Adrenalin unter.

Bei jedem Knall dachte ich, ich wäre getroffen worden.

“Da vorn! Dort sind die Berge! Dort können wir sie abhängen!”, schrie ich völlig außer Atem mit letzter Kraft und großer Hoffnung.

“Es sind nur noch ein paar Meter!”, versuchte ich meinen Bruder und mich zu motivieren.

Meine Beine brannten inzwischen und sie fühlten sich gelähmt an. Es ging einfach nicht mehr schneller.

Wieder ertönte ein Knall.
Aus den Augenwinkeln sah ich ihn fallen.

“Neeeiiinnn!”, schrie ich.
Ich blieb einfach stehen, mein Kopf war leer.

Es waren so viele Gedanken und Emotionen da, die sich darum stritten, welche nun als erstes in mein Bewusstsein schmettern darf.

Er war tot.
Ich muss weiter rennen.
Warum haben sie das getan?
War er wirklich tot?
Mein Hals schmerzt.
Warum sollte ich weiter rennen?
Sie haben gewonnen.
Meine Beine tun weh.
Ich gebe auf.
Mir ist schlecht.
Er hatte es nicht verdient.
Gebe ich wirklich auf?
Unsere Vergangenheit.
Unsere Zukunft?
Reiß dich zusammen!
Ich will nicht mehr!

Die Emotionen schlugen brutal ein.
Ich hyperventilierte und die Tränen begannen, über mein Gesicht zu rinnen.

Es war keine Zeit, um klare Gedanken zu fassen. Ich durfte diesen Anspruch nicht an mich haben.

Ich konnte ihm nicht mehr helfen. Ich musste weiter.
Ich musste meinen Bruder zurücklassen. Sonst sind wir einfach nur beide tot.
“Es tut mir leid!”, schrie ich ihm noch zu, auch wenn er es nicht mehr hören konnte.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich mich aus der Lähmung befreien konnte und heulend und wütend weiter lief.

Wieso taten sie uns das an?
Ich hasse Menschen!

Ein weiterer Knall schallte durch die Luft.
Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Pfote.
Ich stürzte aus dem Galopp auf den Boden und überschlug.

“Das war’s!”, tönte es in meinem Kopf.
“Nicht aufgeben!”, war die innere Antwort darauf.

Ich versuchte mich aufzurichten und humpelte weiter.
Reichte es ihnen nicht, dass sie meine Familie und Freunde genommen haben?

Ich winkelte die Pfote an und versuchte, weiter zu galoppieren.
Aber innerlich hatte ich aufgegeben.