Ich spüre eine Müdigkeit, ausgehend von den sich ständig monoton wiederholenden Argumenten.

Es ist im Grunde immer das Gleiche. Manchmal unterscheiden sich die Formulierungen, manchmal ist die Betonung etwas anders, aber letztendlich ist es identisch. Ich habe ein Bestreben nach Wertschätzung des Gegenübers, Respekt und empathischem Umgang. Aber wenn ich zum tausendsten Mal höre, dass der Löwe auch Fleisch frisst, dann kann ich nicht so tun, als würde ich überrascht von diesem klugen Einwand sein und meine Position deswegen überdenken, oder das als “stimmt, man kann es auch so sehen” stehen lassen.

Leider wird genau das oft erwartet. Und das ist natürlich verständlich, denn von der anderen Seite aus betrachtet, fühlt sich das wahrscheinlich wie ein legitimer Einwand an. Aber von Tierrechtler*innen kann nicht erwartet werden, dass sie jedes Mal das Gefühl vermitteln können, eine Diskussion auf Augenhöhe zu führen, wenn das einfach nicht der Fall ist. Natürlich kann es hier eine Expert*innenposition geben. Denn wer sich mit Tierrechten bzw. Veganismus befasst hat und dann zu dem Schluss kam, dass es ethisch das Richtige ist, hat höchstwahrscheinlich schon einige Einwände gehört und durchdacht. Es ist nicht so, dass sich zwei Menschen beim Essen einer Salamipizza plötzlich darüber unterhalten: “Sag mal, was denkst du eigentlich darüber, dass Tiere für diese Salami und den Käse sterben mussten?” “Ich finde das okay, der Löwe frisst doch auch andere Tiere.” “Ja stimmt. Aber Moment, der Löwe macht doch auch ganz andere Dinge noch, die wir nicht tun. Dürfen wir dann auch gegenseitig unsere Nachkommen töten?” “Oh, du hast recht, das hatte ich gar nicht bedacht. Dann lass uns den Löwen lieber nicht als moralisches Vorbild verwenden.”

Das wäre eine Ergebnisoffene Diskussion, bei der die beteiligten auf ähnlichem Stand sind. Eine solche Diskussion ist natürlich immer angenehmer, es ist dann eher ein gemeinsames Philosophieren. Und gern wäre ich in der Lage, anderen dieses Thema auf diese Weise nahezubringen, aber dazu müsste ich mich verstellen. Ich kann leider nicht so tun, als müsste ich noch groß darüber nachdenken, ob der Löwe unseren Fleischkonsum legitimiert. Ich kann leider nicht so tun, als hätte ich noch nicht aktiv eine Position bezogen, die ich richtig und wichtig finde. Ich kann auch nicht so tun, als gäbe es Einwände, die einem nach 3 Sekunden als erstes einfallen, die die Tierrechtsidee widerlegen. Der Durchschnittsmensch hat sich in der Regel nicht groß Gedanken zu seinem Fleischkonsum gemacht. Es reicht nicht, den spontanen Gedanken zu haben, dass Massentierhaltung doch bestimmt doof ist und dann einfach Bio zu kaufen. Das ist kein wirkliches Auseinandersetzen mit der Thematik. Und ich kann aus der Erfahrung sagen, dass sich unglaublich wenige Menschen qualitative Gedanken zu dem Thema gemacht haben. Ich musste mich auch erst aktiv dazu entscheiden, mich damit auseinander zu setzen.

Und was steckt hinter der Meinung “Massentierhaltung find ich auch doof, ich esse nur Bio, aber Veganismus ist übertrieben”, wenn betreffende Person gar nicht weiß, wie viel Quadratzentimeter mehr ein 100 kg Schwein in der Biohaltung hat, als in der Konventionellen?
Stecken da wirklich Gedanken hinter, wie “Also 2.2qm sind Tierquälerei, aber ab 2.3qm Stallfläche für ein Schwein ist es völlig legitim.”?
Und was steckt hinter den ganzen Aussagen des Nährstoffmangels? Hat sich da jemand wirklich auch nur 10 Minuten Zeit genommen mit der Intention “Ich recherchiere jetzt mal, ob und welche Nährstoffe mir fehlen.”? Und was ist mit der Behauptung, Pflanzen würden auch leiden? Ist die wirklich ernst gemeint? Im Sinne von “Ich bin wirklich davon überzeugt, dass Pflanzen ebenfalls Qualen leiden und deshalb habe ich mich dazu entschieden nichtmenschliche Tiere zu essen, die auch leiden, aber vorher noch mehr Pflanzen gegessen haben.”?

Ich freue mich immer über gemeinsame philosophische Diskussionen, aber diese ganzen Standardeinwände haben doch weder etwas niveauvolles an sich, noch haben sie etwas damit zu tun, dass wir Milliarden Tiere quälen und vernichten, nur, weil wir uns an den Geschmack von Fleisch gewöhnt haben.

Man darf mich gern fragen, wieso ich vegan lebe und auch gerne, wie ich meine Ethik aufgebaut habe und warum. Und in diesen Themen bin ich auch sehr offen für neue Anregungen, denn eine valide Ethik zu finden ist so anspruchsvoll, dass viele Philosoph*innen sich Jahrtausende lang damit beschäftigen konnten und immer noch können. Da bezweifle ich, bereits “die Lösung” gefunden zu haben. Aber bitte akzeptiert doch, dass ich mir über die im Vergleich relativ einfache Fragestellung der Tierethik, sofern man Ethik an sich und Menschenrechte in irgendeinem Sinne befürwortet, bereits Gedanken gemacht und es als sehr plausibel erkannt habe. Und ob der Löwe nun Fleisch isst oder nicht, ändert wirklich absolut nichts an meiner Abneigung gegenüber sinnloser Gewalt.

Also lasst uns nicht an der Frage aufhalten, ob es wirklich ethisch verwerflich sei, Wesen mit Interesse am Leben einfach aus Spaß zu töten. Sondern lasst uns endlich zu den wirklich interessanten Fragen kommen, die ein konkretes friedliches Zusammenleben zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren skizzieren.