Ich bin gespannt, wie die Geschichte ausgeht.

Wir blicken gern in die Vergangenheit und sehen, was in unserer Geschichte falsch gemacht wurde. Wir blicken ab und an in die Zukunft und sehen, welche Probleme es gibt und was wir eventuell dagegen tun müssten. Es gibt zahlreiche Dystopien, die uns zeigen, was falsch gemacht werden könnte. So richten wir den Blick auf Zukunft und Vergangenheit und urteilen. Unser Bewertungsstandpunkt ist die Gegenwart, sozusagen die ethische Null-Linie. Uns muss klar werden, dass auch die Jetztzeit aus früherer Perspektive eine Dystopie ist und aus zukünftiger Perspektive eine dunkle Vergangenheit. Nicht pauschal, sondern immer bezüglich des Themas, das der vergangene Sciencefiction-Film behandeln könnte oder das Thema, um das es in zukünftiger Geschichte gehen wird. Nicht bloß die Zukunft und die Vergangenheit beinhalten ändernswerte Zustände. Auch die Jetztzeit. Es gibt viele Aspekte im Hier und Jetzt, die kritisch zu betrachten sind und viele davon sehe ich wahrscheinlich selbst (noch) nicht.

Ich würde den Scheinwerfer aber gern auf ein großes Thema richten, das uns alle betrifft. Um die aktuelle Normalität kritisch zu betrachten, brauchen wir einen anderen Standpunkt. Eine alternative Normalität. Wie würden wir uns eine utopische Welt vorstellen? Also das, was wir alle gern hätten. Das, wofür die Optimist*innen kämpfen und das, was die Pessimist*innen aufgegeben haben. Menschen schaden sich nicht, es gibt keine Kriege, stattdessen aber Bildung und Essen für alle. Gegessen wird regionales Gemüse und getötete Tiere. Passen die getöteten Tiere in das Bild? Es herrscht Gewaltfreiheit und Frieden. Unter Menschen. Während in Deutschland weiterhin 750 Millionen Tiere jährlich kopfüber hängend verbluten. Na gut, sagen wir 300 Millionen, weil alle in der utopischen Welt weniger Fleisch essen und nur von dem*der Metzger*in nebenan.

Wir sind gegen Gewalt, also fügen wir sie anderen Menschen nicht zu. Unsere mediale Kategorisierung in “Gut” und “Böse”, sowie unsere Held*innengeschichten basieren darauf. Aber wir könnten auch gegen Gewalt gegenüber anderen Lebewesen sein und sie ihnen nicht antun. Oder etwa nicht?

Stellen wir uns vor, es gäbe diese Gewalt gegenüber Tieren nicht. Stellen wir uns vor, jemand wäre in einer Welt ohne Tierausbeutung aufgewachsen. Und jetzt führen wir diese Person durch unsere Welt. Das, was für uns so selbstverständlich scheint und so allgegenwärtig ist, wird diesem Menschen sehr dystopisch vorkommen. Wir töten diese Wesen und essen sie dann. Zuvor haben wir sie noch ihr Leben lang ihrer Freiheit beraubt. Die Unterscheidung zwischen “Bio” und “Massentierhaltung” wird nicht funktionieren, das Prinzip der Ausbeutung und Tötung bleibt dasselbe. Wir sind alle Teil davon, oder Teil davon gewesen und wir unterschreiben diese Versklavung von nichtmenschlichen Tieren jeden Tag, bei jeder Mahlzeit. Hier merken wir, dass die Einteilung in “Gut” und “Böse” nicht funktioniert. Sie ist sogar insofern sehr schädlich, als dass sie die Selbstreflexion stark erschwert. Denn niemand wird sich selbst als “Böse” verstehen. Und trotzdem gibt es so viel Grausamkeit und Leid auf der Welt.

Wenn wir nicht akzeptieren, dass wir mit unseren alltäglichen Entscheidungen einen massiven Anteil daran haben, dann kann sich auch nichts verbessern. Wie erklären wir der Person, die Tierausbeutung nicht kennt, dass wir zwar bestimmte ausbeuterische Positionen und Handlungen in der Vergangenheit verurteilen, aber die Gegenwart so hinnehmen und Teil von dieser Tötungsindustrie sind, bzw. sie selbst erschaffen?

Da wir diese Inkonsistenz spüren, gibt es Lippenbekenntnisse, wie das mit dem “Bio” oder “weniger Fleisch”. Oder Pseudofeindbilder wie “Massentierhaltung”. Es wird langsam Zeit, zu erkennen, dass es hier nicht um einen Quadratmeter mehr oder weniger geht. Es geht darum, dass wir Wesen einsperren und Töten. Wir sprechen ihnen jegliche Rechte ab und nutzen sie aus.

Wir sind die Bösen in dieser Geschichte und wir sollten uns endlich korrekt verhalten, statt herumzuschwafeln.