Es kommt erstaunlich oft vor, dass die Aussagen „Ich will nicht auf den Geschmack verzichten“ und „Ich kann nicht nachvollziehen, wieso man versucht, die ganzen Produkte zu imitieren“, in ein und derselben Unterhaltung von ein und derselben Person hervorgebracht werden. Ist das nicht etwas paradox?
Die Forderung nach „Wenn schon auf Fleisch verzichten, dann richtig“ steht im totalen Widerspruch zu der Behauptung „Ich würde ja gern, aber dann fehlt mir was“. Man sieht an dem Phänomen sehr schön, wie sich Menschen selbst austricksen, um nicht nur bei ihren Gewohnheiten bleiben zu können, sondern sich ebenfalls als etwas Besseres zu fühlen.
Ja, ich habe tatsächlich die Behauptung aufgestellt, dass es die Fleisch verteidigende Person ist, die sich wertend von einer möglicherweise veganen Person distanziert. Wenn ich mein Tofu Würstchen esse und mir jemand sagt, wenn er*sie an meiner Stelle wäre, dann würde er*sie es jawohl „konsequent“ tun und ganz verzichten, dann handelt es sich dabei um Kritik an meiner Person.
Denn plötzlich ist mein Gegenüber Expert*in und kann mir erklären, dass es viel richtiger wäre, Fake-Produkte ebenfalls zu meiden, weil man ja Fleischprodukte nicht imitieren sollte, wenn man das Töten und Quälen von Tieren verwerflich findet.
Nächstes Mal sollte ich antworten: „Vielen Dank für den Ratschlag! Ich bin da noch etwas neu auf dem Gebiet, ich mache das erst seit gut fünfeinhalb Jahren. Da kann so ein Fauxpas durchaus passieren.“
Diese Überzeugung beinhaltet aber tatsächlich eine Wertung und das muss sie auch. Denn sie muss das eigene Verhalten legitimieren, obwohl wir aber alle im Grunde wissen, dass das Quälen und Töten von Tieren mindestens kritisch ist. Womöglich basiert die Legitimation des Fleischkonsums auf der Überzeugung, man würde den Geschmack behalten wollen (Notiz am Rande: Der Geschmack sollte nicht höher gewichtet werden, als das Leben eines Individuums). Wenn ich dann eine Tofu Wurst esse, dann kann ich durchaus nachvollziehen, dass das nervt, weil es den Glauben, Verzichten zu müssen, angreift. Und insbesondere auch, weil es beinahe so aussieht, als würde ich dieselbe Lebensqualität erfahren, wie Menschen, die nicht vegan leben und dabei kongruenter mit meinen eigenen Werten bin. Das könnte eine Form des Neids erzeugen oder zumindest ein triggerndes Verhalten sein.
Was bleibt meinem Gegenüber also übrig, außer entweder den Geschmack bzw. die Qualität von meinem Fake-Essen schlecht zu reden, oder aber daran zu glauben, dass er*sie selbst das nicht nötig hätte.
Ich habe ja nichts dagegen, wenn du keine Fake-Produkte isst, wenn du vegan wärst. Und ich finde es auch okay, wenn du das dann als Stärke von dir interpretieren möchtest. Aber dann beschwere dich doch nicht darüber, dass du auf Dinge verzichten müsstest, wenn du vegan wärst und es deshalb nicht könntest. Das passt nicht zusammen.
Wenn du glaubhaft mit der Überzeugung essen möchtest, dass dir andere Lebewesen und die Umwelt wichtig sind, dann iss halt ebenfalls Pflanzen. Und in welcher Form oder welchen Geschmäckern du das tust, ist doch komplett dir überlassen.