Jede*r sollte seine*ihre Meinungen zur Diskussion stellen und diese bei Bedarf anpassen.
Der Wert der Philosophie wird viel zu oft unterschätzt.
Zumal sie einem oft nur begegnet, wenn man den Religionsunterricht in der Schule verweigert.
Aber wenigstens ist der Religionsunterricht dafür in der Grundschule schon Pflicht.
Auf eine Grundbildung im Argumentieren und Diskutieren verzichtet man da lieber.
Man muss sich also letztendlich oft selbst in diesem Bereich schulen.
Man muss sogar zunächst das verdrehte Bild von „Jede*r hat Recht!“, das einem oft während der Bildungslaufbahn indoktriniert wird, gerade biegen.
Was ist eine Meinung?
„Meinung“ impliziert im Alltag eine Art Unantastbarkeit. Eine Meinung dürfe zwar vielleicht kritisiert werden, aber „falsch“ sei sie nie.
Wikipedia hilft hier gut weiter: „Unter einer Meinung wird in der Philosophie eine Art des Fürwahrhaltens verstanden, die nicht auf strenger Prüfung beruht und sich infolgedessen der Möglichkeit des Irrtums bewusst ist.“
In diesem Sinne dient eine philosophische Diskussion keineswegs dem stumpfen Präsentieren der eigenen Ansicht, sondern der Auseinandersetzung mit ihren jeweiligen Argumenten und dem Ziel beider Parteien, sich weiterzubilden und vor allem auch die eigenen Fehler zu finden und zu korrigieren.
Eine ideale philosophische Diskussion zwischen zwei sich widersprechenden Positionen würde mit der Erkenntnis enden, dass mindestens(!) eine der Positionen fehlerhaft ist.
Wie diskutiert man?
Das Diskutieren selbst ist oft schwieriger, als man zunächst annimmt.
Weshalb ich eine Grundbildung (z. B. in Form von Philosophieunterricht) für sehr sinnvoll halte.
Ohne konstruktives Diskutieren kommt die Gesellschaft nicht vorwärts. Vielleicht wäre die Erde dann sogar noch eine Scheibe.
Ich würde behaupten, dass wir alle unsere Kompetenzen im Diskutieren noch verbessern können. Entgegen der allgemeinen Ansicht ist nicht das am „richtigsten“, was am lautesten gebrüllt wird. Und auf welche Weisen man eine Person beleidigen kann, hat auch relativ wenig mit der Richtigkeit von Aussagen zu tun.
Zunächst dürfen die Parteien ihre jeweiligen Positionen nicht als unantastbar ansehen.
Dennoch sollten sich beide aus empathischen Gründen bewusst sein, dass ihre Meinungen gegebenenfalls unterschiedlich genau geprüft wurden.
Ein*e Computerspielexpert*in mit einem Doktor*innentitel in Psychologie und dem Schwerpunkt auf Aggressionsforschung, der*die sich seit 10 Jahren mit der Frage, ob „Ballerspiele“ die Amoklaufwahrscheinlichkeit erhöhen, befasst, steht natürlich etwas anders da als eine Person, die nicht in der Thematik steckt, sondern instinktiv dazu tendiert, „Ballerspiele“ zu verteufeln; oder ein*e Vollblutgamer*in, der*die nicht wahrhaben möchte, dass das geliebte Hobby auch negative Folgen haben könnte.
Aber auch, wenn die unerfahrenere Person demnach zunächst in einer passiveren Rolle steht, muss sich der*die Expert*in bewusst sein, dass dennoch die Möglichkeit besteht, das ein Fehler in seiner Argumentation gefunden wird.
In der Praxis ist dies schwierig, da der Weg zu einer Position sehr lang sein kann und Geduld und Zeit nicht reichen, um Menschen abzuholen.
Man diskutiert nicht gegeneinander, sondern miteinander!
Das Ziel beider Parteien sollte es nicht sein, zu „gewinnen“, sondern gemeinsam die „Wahrheit“ zu finden. Dadurch haben beide etwas gewonnen. Mit dieser Einstellung wird die Gefahr von reaktantem Verhalten vermindert.
Denn machen wir uns nichts vor: Ob logisch oder nicht, es ist immer schwierig, seine alte Position fallen zu lassen.
Aber eben das ist die Kunst! Und wer seine*ihre Meinung geändert hat, kann stolz auf sich sein!
Da das sehr wenigen gelingt, gebührt dem immer Respekt.
Gleichzeitig ist es jedoch nicht sinnvoll, seine Positionen zu sprunghaft zu verändern, da sie unter Umständen zu komplex für eine einzige Debatte über das Thema ist und die Tagesform und Rhetorik der Parteien nicht zu viel Einfluss haben darf. Behaltet euch also vor, dass auch das ändern einer Ansicht ein Prozess ist, der nicht in einer akuten Debatte passieren muss. Erlaubt euch selbst, im Anschluss an eine Debatte zu reflektieren und gebt vor allem der anderen Seite ebenfalls Zeit, in Ruhe die Positionen zu überdenken.
Umso wichtiger ist es, dass beide Parteien darauf achten, dass das Ändern der Position möglichst angenehm bleibt.
Viele tendieren instinktiv dazu, einen möglichen Irrtum ins Unangenehme zu ziehen.
Aber wen bringt das weiter?
Es geht um die Argumentation, nicht um den Menschen!
Selbst wenn ihr mit Verbrecher*innen über irgendetwas diskutiert, kann es sein, dass sie Recht haben.
Wenn man also wirklich diskutieren will, sollte man das in einem gewissen Maße distanziert tun.
Stellt euch vor, der*die beste Freund*in ist der Meinung, dass man Kinder schlagen sollte (entschuldigt, mir fällt gerade nichts Besseres ein).
Ihr habt nun im Prinzip die Wahl, ob ihr euch fürchterlich streitet und eure Freundschaft zerstört, oder ob ihr euch dessen bewusst seid, dass ihr Menschen gegenübersteht, die ihr mögt, und es irgendwo in euren Positionen Fehler oder Missverständnisse gibt. Insbesondere, wenn ihr sonst ähnliche Weltbilder und Ansichten teilt, sind die Chancen hoch, dass sich die Uneinigkeit lösen lässt.
Wenn ihr es hinbekommt, nicht zu emotional zu diskutieren, dann könntet ihr aufdecken, wie sich die Aussagen aus euren gemeinsamen Weltbildern ableiten lassen und wo dort ein Widerspruch oder eine Fehlinformation sein könnte.
Eigentlich wollen wir alle das Gleiche!
Diese Annahme ist bei Diskussionen sehr hilfreich. Insbesondere wenn es um Ethik geht.
Wer mit dieser Einstellung in eine Diskussion geht, dem wird es leichter fallen, Verständnis zu zeigen und sein Gegenüber nicht zu schnell in eine Schublade zu stecken, in die er*sie wahrscheinlich gar nicht gehört.
Denn oft beruhen Meinungsverschiedenheiten auf Missverständnissen, sich unterscheidenden Definitionen, oder unterschiedlichen Annahmen über die Welt. All das lässt sich synchronisieren und aufklären, sodass letztendlich doch alle der gleichen Meinung sind.
Behaltet den Überblick!
Wenn eure Meinungen sich widersprechen, dann ist mindestens eine davon fehlerhaft. Der Fehler könnte auch bei euch liegen. Es ist sehr wichtig, den Überblick zu behalten, welche Prämisse zu welchem Schluss führt, welche ihr annehmt oder für falsch haltet und wodurch welche Aussage widerlegt werden würde.
Es dürfen keine Einwände übersprungen werden, da es vielleicht jene sein könnten, die das Rätsel lösen.
Selbstreflexion!
Die meiner Einschätzung nach wichtigste Fähigkeit ist die, sich selbst zu reflektieren.
Sich seinem Verhalten und dessen Begründung bewusst zu sein.
Man sollte immer ein Auge auf sich selbst haben.
Vor allem aber sollte man sich selbst bewusst sein, dass man sich stets für selbstreflektiert hält, auch wenn man es gerade nicht ist.
Reagiere ich zu aggressiv?
Rede ich mich gerade nur heraus, obwohl die andere Person in diesem Punkt eigentlich Recht hat?
Lehne ich die Position prinzipiell ab oder bin ich mir bewusst, dass ich mich irren könnte?
Reite ich gerade auf Fehlern der anderen Person herum?
Was würde ich an der anderen Stelle sagen/tun/denken?
Bin ich wütend, dass ich nicht ausdrücken oder vermitteln kann, was ich möchte?
Wenn man anfängt, die eigenen emotionalen Bedürfnisse durch eine Diskussion zu befriedigen, statt empathisch auf das Gegenüber zu reagieren, ist es wahrscheinlich, dass daraus keine konstruktive Diskussion, sondern ein eskalierendes Streitgespräch resultiert.
Fragt euch regelmäßig, was ihr gerade fühlt, warum ihr es fühlt, und mit welcher Intention ihr welche Aussage macht oder welches rhetorische Mittel ihr einsetzt.
Wir sollten alle lernen, vernünftig zu debattieren und das Korrigieren der eigenen Position als Erfolg zu werten!