Pflanzen sind auch Lebewesen!

Wer hätte sich vor der Entscheidung zur tierproduktfreien Ernährung denken können, dass man solch eine Aussage einmal mehr oder minder ernst gemeint vorgeworfen bekommt?

Auch wenn das oft eine unüberlegte Verteidigung gegen potentiell gewissensbelastende Gedanken ist, kann man argumentativ darauf eingehen, wenn man möchte.
Wenn man das tut, kann sich daraus sicher eine spannende Diskussion entwickeln, jedoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass jemand davon wahrscheinlich höchstens indirekt zu veganen Gedanken motiviert wird.

Eigentlich ist es ja fast schon trivial, dass da nicht folgendes hinter steckt:

Ich finde es schrecklich, wenn etwas für meine Ernährung leiden muss und würde einiges dagegen tun wollen, aber blöderweise leiden Pflanzen auch, weshalb ich sie nicht ausschließlich essen will.

In Wahrheit scheint natürlich eher etwas dahinter zu stecken wie:

Du bist nicht perfekt!

argumentum ad hominem

oder aber etwas konstruktiver:

Veganismus ist nicht perfekt!

Aber das ist ein anderes Thema.

Und selbst dort steckt dann im Grunde wohl eher eine Bequemlichkeit hinter. Denn zum einen würde wieder niemand wirklich behaupten

Du verzichtest nicht vollkommen auf Gewalt, weil du ab und an Fußgänger*innen anrempelst, deshalb muss ich auch nicht auf Schlägereien verzichten.

, und zum anderen ist

Du verursachst Pflanzenleid!

in mehreren Punkten stark zu kritisieren.

Hierzu empfehle ich das brillante Video von Der Artgenosse (siehe unten).

Ich wiederum möchte lediglich zwei weitere Überlegungen, die auch in fortführender Diskussion über Bewusstseinsphilosophie interessant sein können, anschneiden. Die Aspekte scheinen in der Pflanzenleiddiskussion bisher nicht allzu oft aufzutreten, sind aber meiner Einschätzung nach sehr mächtig.

1. Warum sollten Pflanzen leiden?

Pflanzen haben kein Nervenzentrum. Soweit nahezu offensichtlich. Wer trotzdem daran zweifelt, kann sich ja einmal daran erinnern, dass selbst wir Menschen teilweise wenig äußere Einflüsse wahrnehmen, wenn wir schlafen, oder ohnmächtig sind. Ebenso sind wir vom physischen Leid befreit, wenn wir Bereiche unseres Körpers betäuben, oder gar komplett narkotisiert sind. Wenn also die komplexen Mechanismen zur Schmerzverarbeitung gestört sind, sieht es auch bei uns schon schlecht aus. Und das, obwohl das Gehirn in den genannten Zuständen nicht komplett ausgefallen ist und wir teilweise noch recht gut auf äußere Reize reagieren können, ohne sie wirklich zu empfinden.
Es ist also sehr weit hergeholt, Pflanzen zu unterstellen, sie würden Leid empfinden.

2. Wann leiden Pflanzen?

Auch wenn man davon ausgeht, dass Pflanzen Leid empfinden, wird es schwierig. Bei Tieren ist es, wie der Artgenosse in seinem Video (Link unten) schon erwähnt, sinnvoll, Schmerz zu spüren, da sie weglaufen können. Pflanzen können dies nicht.
Daraus resultiert aber die Frage, in welchen Situationen Pflanzen dann leiden würden.
Naheliegend ist bei Tieren ja zunächst, dass ihnen das weh tut, was letztendlich schlecht für sie ist. Worauf möchte ich hinaus?
Ist es nicht evolutiv gesehen für viele Pflanzen positiv, wenn sie ihre Samen verbreiten können?
Und haben sie nicht oft einen Vorteil, wenn irgendjemand an ihren Früchten interessiert ist?

Einige Früchte legen es ja wirklich darauf an, möglichst ansprechend zu sein.
Warum also sollte eine Pflanze Schmerz empfinden, wenn man ihr hilft, sich zu reproduzieren?
Sollte das, wenn überhaupt nicht eher ein positives Gefühl ausmachen, wie bei uns Menschen?
Diese Fragen sind nicht als Argument an sich zu verstehen, da sie recht schwach ist und wir auch viele Wurzeln oder vollständige Pflanzen essen, oder sie einfach zerstört werden.

Es dient nur als gedankliche Stütze für folgende Erkenntnis:
Letztendlich gibt es keine Möglichkeit herzuleiten, was zu welchen Emotionen führen soll. Und „sehen“ kann man sie auch nicht.
Wir können die Art der Qualia einer Pflanze nur willkürlich erraten.
Und selbst wenn Studien herausfinden, auf welche Reize eine Pflanze wie reagiert, so wüsste man dennoch nicht, ob entsprechende Reaktion Freude oder Leid ausdrückt.

Brillantes Video vom Artgenossen