“Fleischkonsum ist männlich”?
In dieser sexistischen Gesellschaft wird “Männlichkeit” leider oft mit Attributen wie “stark” assoziiert.
Fleisch essen soll also “stark” sein?
Aber in welchem Sinne?

Körperlich stark, weil ich es schaffe meinen Körper mit Fett und Cholesterin vollzupumpen und trotzdem noch auf der Couch sitzen und Fernsehen kann?
Oder charakterlich stark, weil ich damit ausdrücken kann, dass mir Leid anderer völlig egal ist und ich meinen eigenen Luxus so weit darüber stelle?
Oder gar geistig stark, weil ich die Kraft habe, dem Mainstream des Fleischkonsums zu folgen, und dem Verlangen nach Antibiotikaresten und Geschmacksverstärkern auch nicht widerstehen kann, wenn es um Leben und Tod geht?

Wo auch immer diese Aussage implizit oder explizit im Raum steht, und wo auch immer eine Art Stärke im Fleischkonsum gesehen wird, kann ich nur Unverständnis dafür aufbringen. Ich würde sogar in die gegenteilige Richtung gehen.

Geistig stark?

Wer um das durch den Fleischkonsum erzeugte Leid Bescheid weiß und es nicht schafft, darauf zu verzichten, obwohl er*sie es, wenn er*sie ehrlich zu sich selbst ist, auch als “schlecht” empfindet, zeigt in meinen Augen eine Schwäche. Eine große Willensschwäche, bei der ich nicht darum herum komme sie auf andere Lebensbereiche zu beziehen. Wird eine solch willensschwache Person in ähnlichen Situationen analog handeln?
Vielleicht ist die Person hilfsbereit, aber ab welchem Aufwand ist ihr die eigene Bequemlichkeit wichtiger als andere Menschen?

Charakterlich stark?

Es gibt Menschen, denen Tiere egal sind. Der einzige respektable Punkt ist der, dass diese Menschen wenigstens konsequent in ihrem Konsum handeln und in diesem Bereich dann nichts falsch machen. Aber was sagt es über einen Menschen aus, wenn ihm Tiere egal sind? Wenn ihm Leid egal ist? Ist es ihm nur beim Tier egal und hängt es somit von seiner eigenen “Gruppe” ab, deren Angehörige er respektiert und deren Außenstehende er verachtet? Was, wenn die Gruppe, der er sich zuordnet, nicht in der Spezies, sondern in der Hautfarbe oder dem Geschlecht gleich ist? Es liegt doch nicht fern, dass eine solche Person, die sich nur für die eigene Gruppe interessiert, sich im Grunde denselben Charakterkern mit Rassist*innen oder Sexist*innen teilt. Wie kann ich so jemanden denn zu schätzen wissen?
Die zweite Möglichkeit bestünde darin, dass der Person nicht nur die eigene Gruppe, sondern wirklich jedes andere Individuum egal ist. Aber möchte ich so jemanden in meinem Umfeld haben? Oder gar in meinem Freundeskreis? Jemanden, der mir wahrscheinlich bei jedem Anlass in den Rücken fallen würde?

Körperlich stark?

Hier muss ich wahrscheinlich nicht viel zu sagen. Ich bin kein Ernährungsspezialist und stehe bei den Diskussionen über Gesundheit immer zwischen den Fronten. Aber angenommen, eine pflanzliche Ernährung sei “ungesund”. Da man nicht direkt stirbt, wenn man eine Pflanze frisst, wird sie wahrscheinlich nicht so ungesund sein, als dass es mich davon abhalten würde. Meine Motivation in pflanzlicher Ernährung ist nicht die Gesundheit. Wer würde z.B. Menschen züchten und essen, nur weil es vielleicht gesund wäre? Einig müsste man sich inzwischen darin sein, dass man sich nicht körperlich fit hält, indem man möglichst viel Fleisch konsumiert. Wenn man sich umschaut ist eine körperliche Fitness eher weniger auf Fleischkonsum, sondern viel mehr auf Sport zurückzuführen. Ja, das mag für die ein oder andere Person überraschend sein, aber probiert es doch mal aus.

Wo also liegt etwas Positives im Fleischkonsum?
Wenn man ihn werten möchte, dann ergibt sich daraus doch viel mehr ein oben erläutertes negatives Bild.

Oder an welcher Stelle irre ich mich?