Es fällt mir sehr schwer, den Glauben an die Menschheit zu bewahren, wenn auf so viele Weisen notwendige Änderungen mit so unglaublich schlechten Argumenten abgewehrt werden.

Als ich jünger war, glaubte ich an den Menschen als rationales und empathisches Wesen. Besonders gern zählte ich mich selbst zu den Rationalen und fühlte mich der Gesellschaft zugehörig. Zugehörig in dem Sinne, dass ich ein „Wir“-Gefühl hatte und davon ausgegangen war, dass alle sich gegenseitig den Rücken stärken, für eine bessere Welt kämpfen und den Planeten retten.

Rückblickend scheint mir das leider sehr naiv. Ich erwarte aber auch nicht von meinem jüngeren Ich, dass es das nicht gewesen wäre. Diese Sicht auf die Welt ist in jungen Jahren sicher normal. Man hat vielleicht schon viel erlebt und gesehen, aber noch nicht die großen Probleme oder die Größe der Probleme verstanden. Krieg klang abstrakt. Es gab Gut und Böse. Die gute westliche Welt gegen den bösen Terrorismus. Um Hunger und Armut haben sich alle Politiker*innen gesorgt und ihr Bestes, Selbstlosestes gegeben, um zu helfen. Die Wurst an der Theke wurde von einer super sympathischen Person überreicht und sie war in Form eines lächelnden Gesichts gepresst. Die Menschen um mich herum waren alle super nett, Rassismus und Sexismus konnte ich nicht erkennen. Und jetzt?

Jetzt ist alles kompliziert. Einem dämmert, auf welcher Seite man steht, wenn man diese Filme sieht, in denen sich in irgendeiner Weise ausgebeutete bzw. arme Menschen gegen die Oberschicht auflehnen. Ich erkannte dort die Ungerechtigkeiten und ich fieberte mit, dass die Protagonist*innen es schafften, sich gegen die Wohlhabenden zu wehren.

Dann laufen dort die Menschen herum, die sich fast alles Leisten können, während andere bis zum Tod um ihr Essen kämpfen. Und ich habe mich über sie empört, dass sie es nicht merken und den Armen nicht helfen. Letztendlich war ich es, der es nicht gemerkt hat. Wir haben eine Reihe von Problemen auf der Welt und die meisten von uns hier sind die privilegierten, für die alle anderen ausgebeutet werden.

Ich hatte keine Lust mehr. Ich wollte, dass wir alle „Nein!“ zur Ausbeutung von Tieren, dem Planeten und Menschen sagen. Ich erwarte keine Perfektion, aber das Feedback der Menschen nimmt mir dennoch jegliche Hoffnung.

Für mich gehört zu der Ablehnung von Ausbeutung auch, dass man Tiere nicht für sich einsperren und töten lässt. Das ist zumindest ein Bereich, in dem man relativ einfach, relativ konsequent die eigene Überzeugung und ein potenziell mächtiges politisches Statement leben kann. Allein bei dieser einfachen Maßnahme scheint es kaum möglich, diese flächendeckend umzusetzen.

„Tierrechte? Nee, Tiere sind nichts wert!“, so die Gesellschaft.

Und dabei gibt es mehr als genug Gründe, von denen jeder für sich schon allein ausreichend sein sollten. Unser Planet brennt und unsere Tierindustrie stellt einen der größten Faktoren der Umweltzerstörung dar. Antibiotikaresistente Keime werden eine riesige Gefahr. Nitrat im Grundwasser ist im Vergleich nur eine Randnotiz. 80 Milliarden Tiere werden jedes Jahr nach einem qualvollen Leben hingerichtet. Der Regenwald brennt für den immensen Sojaverbrauch der Tierindustrie.

Und wie reagieren die Menschen darauf?
„Das ist mir zu extrem!“
Ist das euer Ernst?

Wie soll ich zuversichtlich sein, wenn „Der Löwe frisst auch Fleisch“ oder „Es schmeckt mir halt“, die Reaktionen auf die riesige Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes ist?

Herzlichen Glückwunsch! Statt die Problematik zu erkennen und sich einmal selbst zu hinterfragen und in den Po zu treten, das Richtige zu tun, habt ihr es in eurer trotzigen Bequemlichkeit geschafft, dass ich Zynismus an den Tag legen muss.

Und so sitze ich in meiner dennoch privilegierten Position, schaue hinaus auf die Armut, das Leid und den Tod und beobachte, wie die Welt untergeht.

Ich kann alleine nichts ändern, ihr müsst alle mitmachen. Es geht um Dinge, die wichtiger sind, als der Alltag oder der Geschmack.

Lippenbekenntnisse zu halben Ideen, wie „Wir sollten einfach etwas weniger Fleisch essen, etwas weniger kaufen, etwas weniger diskriminieren“, sind in dieser Welt nicht ausreichend.

So verfahren wir seit Jahrzehnten. Werdet endlich konsequent!