Warum ernährst du dich vegan?

Da wäre dann wieder die Frage, die man schon so oft gehört hat und die eine der wenigen ist, auf die man sich sogar oft freut.
Dennoch hat man keine kurze, knappe, alle überzeugende Antwort parat.
Tja, schade.

Aus welcher Richtung heraus und auf welche Weise soll man antworten? Zumal doch jeder weiß, dass es sich bei dem veganen Lebensstil entgegen der öffentlichen Wahrnehmung eher um eine passive Einstellung handelt.
Und automatisch übersetzt sich die Frage:

Warum rammst du Berta keinen Bolzen ins Gehirn?

Ich gestehe, dass ich oft überfordert bin, wenn man mich mit dieser so simpel erscheinenden Frage konfrontiert.
Da ich mir der maximal zwei Sekunden langen Antwortzeit bewusst bin, muss ich umso gründlicher überlegen, wie ich meine komplette ethische Haltung in einen minimalistischen Satz packen kann.

Schwierig dabei ist, dass es wahrscheinlich nicht mal einen Unterschied zwischen meiner Position und der Position des*der Fragenden gibt.
Während sich also jedes Mal meine Gedanken überschlagen und ich meine zwei Sekunden damit fülle, paralysiert zu sein, verliert der*die Fragende das Interesse an der Antwort und das Gesprächsthema löst sich in Luft auf.

Nach viel zu langer Sprachlosigkeit und dem Entschluss, mir für das nächste Mal eine Antwort bereitzulegen, werfe ich noch schnell meine extrem ausgeklügelte Antwort entgegen:

Warum tust du es nicht?

Kurz darauf macht sich ein unfassbarer Stolz in mir breit, mit einer so simpel wirkenden Gegenfrage so vieles zu implizieren.
Bittere Enttäuschung folgt unmittelbar, wenn mir wieder einfällt, dass der*die Adressat*in wahrscheinlich keine zwölfseitige Erörterung über die Aussagekraft der Gegenfrage verfassen wird, geschweige denn die Frage überhaupt in irgendeiner Art ernst nimmt.

Warum sollte man also die Gelegenheit, dass jemand von sich aus Interesse zeigt, mit einer letztendlich doch aussagelosen Gegenfrage verschwenden? Wenn man versucht, das Ganze dann doch über die Ethik mit Leid ist schlecht o. ä. zu erläutern, landet man wahrscheinlich irgendwann an dem Punkt:

Das schmeckt so lecker. Ich könnte nicht darauf verzichten.

An sich ist das super! Das bedeutet, im tiefsten Inneren ist klar, dass das Vermeiden von (Tier-)Ausbeutung eigentlich richtig ist. Jedoch blockiert dann – wie so oft – die Bequemlichkeit jede Art von Handlungskonsequenzen.

Jenen, die sich gerne mit Das schmeckt gut, ich könnte nicht verzichten herausreden, würde ich unglaublich gern verständlich machen, dass es wahrscheinlich keine Sklav*innen gegeben hätte, wären ihre „Meister*innen“ der Meinung gewesen, ohne Luxuseinbüße darauf verzichten zu können. Es gäbe vermutlich auch keine anderen Gewalttaten, wenn entsprechende Kriminelle keinerlei kurzfristige Befriedigung darin sähen.

Nein, ich möchte niemanden damit als Nazi bzw. kriminell darstellen, ich möchte lediglich folgende Frage in den Raum stellen: Wenn man weiß, dass etwas falsch ist, warum tut man es dann?

Und einmal Hand aufs Herz:
Das Überwinden der Fleisch- oder Käsesucht ist in der Regel nicht wirklich viel verlangt. Es ist eigentlich das Mindeste, dass wir aufhören, andere Spezies so widerlich zu quälen und zu misshandeln.

Welches Engagement erwarten wir von anderen Menschen, sich korrekt zu verhalten und Dritten kein Leid zuzufügen?
Und warum sind wir selbst nicht einmal bereit, die morgendliche Wurstscheibe durch Marmelade zu ersetzen und foltern und töten damit unzählige Tiere?

Darum lebe ich vegan!

Und du?