Ich würde dich sehr gerne überzeugen, davon überzeugen, dass es Ungerechtigkeit gibt, die du einfach vermeiden könntest und solltest.

Warum ich das möchte? Das gehört nun mal dazu, wenn man sich als etwas Besseres fühlen will.
Nein, im Ernst. Es gibt eine Menge Ungerechtigkeit auf diesem Planeten. Man könnte natürlich nie genug tun. Dennoch gibt es aber eine Thematik, die in unserer Gesellschaft allgegenwärtig ist und sich somit gut als Startpunkt eignet.

Gleichzeitig – und jetzt kommt eine Aussage, die ich mir nicht verkneifen kann, obwohl sie wahrscheinlich Abwehrreaktionen hervorruft – sind wir alle unmittelbar dafür verantwortlich.
Ich weiß, das hört man nicht gerne, aber im Grunde sind wir alle schuld. Ich sage bewusst „wir“ und nicht „du“, da es harmloser klingt. Es erhöht die Chance, dass du zuhörst. Gleichzeitig sehe ich mich selbst nicht so fern davon. Ich versuche, es in einigen Aspekten besser zu machen, aber die unerreichbare Perfektion ist natürlich noch endlos weit entfernt.

Warum ich also etwas dagegen machen möchte, ist damit zu begründen, dass ich kein Teil dieser Ungerechtigkeit sein will. Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein. Und es ist mir zu anstrengend, den Umstand der Mitschuld bei seiner massiven Präsenz zu verdrängen. Da ich mich nun mit dem Bewusstsein über diese Ungerechtigkeit und ihrem Verständnis generell nicht mehr wohl fühle, strebt es in mir nach Veränderung. Ich weiß, das ist im Grunde nur egoistisch, aber an dieser Stelle möchte ich dich mit ins Boot holen. Ich möchte dich nicht nur nicht wegsehen lassen, sondern dir darüber hinaus ein wirkliches Gefühl für die Unfairness einimpfen. Sodass auch dein inneres Feuer, dein Gerechtigkeitssinn, irgendwann anspringt und du Veränderung willst.

Solange du aber Teil davon bist, wirst du die Umstände nicht angemessen hart kritisieren. Du wirst sie auf jede erdenkliche Weise relativieren, um ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten. Vielleicht merkst du das schon jetzt während des Lesens. Du könntest dich beispielsweise von mir distanzieren, indem du mich in eine Ecke deines Kopfes stellst. Zum Beispiel zu den Freaks oder zu den Extremist*innen. Vielleicht auch zu den Naiven, um dir einzureden, du würdest realistisch denken, wenn du das Thema nie ernsthaft angehst. Oder du verharmlost die Wichtigkeit der Entscheidung und Verantwortung, weil sich „eh nichts ändern wird“ oder du schon dein Bestes tust, weil du die Massentierhaltung nicht unterstützen willst.

Nur leider ist die vermeintliche Alternative ein Konstrukt deiner Fantasie und hat nichts mit dem Bio-Logo zu tun, das neulich auf der Verpackung des Steaks zu sehen war, das du zum Grillen mitgebracht hast. Und woher stammt eigentlich der Käse in der Mensa? Es wird schnell klar, dass ich mir keine einfache Aufgabe gesucht habe, wenn ich dich überzeugen will. Erschwerend hinzu kommt, dass ich dich überhaupt nicht kenne. Und ja, du hast recht, in dem Sinne ist es sehr anmaßend, dass ich Kritik an dich richte. Aber ich rede mir einfach ein, dass ich dich mit meinen Worten erreichen kann oder du zumindest zuhörst. Dann habe ich das Gefühl, einen Teil zu einer besseren Welt beigetragen zu haben.

Mein einziger Appell, auf den dies alles hinausläuft, ist, dass ich dich hiermit bitten will, dir über die Floskeln wie „Ich bin auch gegen Massentierhaltung“ hinaus einmal die Frage zu stellen, ob du unsere Produktion von Eiern, Milch und Fleisch als unverzichtbar und vor allem gerecht empfindest.
Gerecht für die Umwelt, für die Tiere und für die Menschen? Würdest du mit einem (Bio-)Schwein, einer Kuh oder einem Huhn tauschen wollen?
Oder noch grundsätzlicher: Bist du der Meinung, dass Stärkere Schwächere ausbeuten dürfen und sollten, weil die Natur nun mal so ist?

Wenn du eine ehrliche Antwort für dich gefunden hast und eigentlich auch gerne etwas ändern würdest, dann beginne am besten bei dem eigenen Verhalten und übernimm Verantwortung. Du entscheidest, was du bezahlen möchtest und was du vorlebst.

Vielen Dank, dass du bis hier gelesen hast!