Ich würde gern ausführlich und sachlich erklären, warum ich die Ausbeutung von Tieren verwerflich finde und weshalb das zum Verzicht auf Fleisch, Eier, Milch, Käse und allen daraus bestehenden Produkten führt.

Und dann frage ich mich, wer aufgrund dessen seinen Konsum ändern wird. Wer schafft es an “Es schmeckt so lecker” und “Es wäre zu anstrengend, sich umzugewöhnen” vorbei, nur durch die nüchterne Erkenntnis, dass es verwerflich ist, Tierprodukte zu konsumieren?

Welcher Antrieb schafft es, Gewohnheit und Bequemlichkeit zu überwinden?

Die Eigenschaft des Menschen als Gewohnheitstier mit seiner unfassbaren Angst vor Veränderungen im Verhalten und in den Einstellungen wird jegliche Erkenntnis in das schwarze Loch der “Man muss halt etwas weniger”-Ausrede umleiten. Überhaupt anzunehmen, dass eine rein rationale Erkenntnis genug emotionale Schlagkraft hat, um das Leben zu verändern, wirkt optimistisch.

Obwohl ich gestehen muss, dass es bei mir persönlich eher die argumentative Erkenntnis war, die mich zum Ändern meines Verhaltens bewogen hatte. Dennoch habe ich das Gefühl, dass die eigentliche Antriebskraft oft die Emotion ist. Genauer gesagt die Empathie und das Gerechtigkeitsempfinden. So sollte ich doch einfach eine visuelle Szene der Tierindustrie zeigen und sie würde unmittelbar die Erkenntnis erzeugen, dass das Gesehene so nicht richtig ist.

Ich vermute, die meisten Menschen würden entsprechendes bei diesen Bildern fühlen. Und sei es auch ohne Blut lediglich eine Szene, die die Gefangenschaft zeigt, so könnten empathische Menschen verstehen, welch grausamer Zustand das für jedes empfindungsfähige Lebewesen sein muss, sein Leben so verbringen zu müssen. Wir bräuchten dann nicht mal die sonst übliche Gewalt, die gegenüber den nichtmenschlichen Tieren aufgrund ihrer vermeintlichen Wertlosigkeit an den Tag gelegt wird oder die Praktiken, die wir aus wirtschaftlichen Gründen an ihnen vollziehen oder den Prozess der Hinrichtung am Ende ihres Lebens.

Wir bräuchten nur genug Fantasie, um uns vorzustellen, wie wir uns fühlen würden, wenn man uns für eine Stunde in einen Raum setzt und das Handy wegnimmt. Und dann strecken wir diese Stunde auf unser ganzes Leben. Wenn wir dann dort in Machtlosigkeit verharren, sind wir auf die Hilfe von außen angewiesen. Es muss Personen oder Instanzen geben, die uns dort rausholen, die für uns kämpfen.

Was sehen wir stattdessen? Wir gehen alle daran vorbei und schauen weg. Einige von uns rechtfertigen das, indem sie sagen, das sei doch schon immer so gewesen. Andere finden es übertrieben und extrem uns aus diesen Räumen frei und am Leben zu lassen. Und die einzigen Forderungen, mit denen man uns helfen möchte, lauten “Es reicht, wenn nicht so viele eingesperrt sind. Wir reduzieren einfach auf 50%”. Was sollte das heißen? Von 80 Milliarden auf 40 Milliarden, die in entsprechender Situation sind? Ist es nicht egal, ob es vorher 10 waren und jetzt 5, solange es einfach falsch ist? An der Folter für die Verbleibenden ändert sich nichts.

Und wem von euch wäre geholfen, wenn die einzigen Kampagnen vermeintlich zu euren Gunsten darum gehen, euch einen Quadratmeter mehr zu beschaffen, oder euch einen Spielball zu geben? Kann dann nicht ein bloßes Bild dieser Umstände ein sofortiges Umdenken bewirken?

Angemessen wäre es doch, sich einzugestehen, dass das, was dort passiert auf viele Weisen ein Verbrechen darstellt. Angemessen wäre es, sofort nach der Sichtung dieser Industrie von heute auf morgen mindestens sämtliche Produkte zu vermeiden, die diese Umstände fördern.

Und selbst das wäre nicht genug, denn es ist nur ein Entziehen aus dem System und somit eine passive Handlung. Es gleicht der Aussage “Ich höre auf, dich zu misshandeln, aber ich helfe dir nicht.” Ist nicht auch die Hilfe ein Muss? Halten wir wirklich so viel davon, bloß zu sagen: “Tja, ich hab damit nichts zu tun” und dann weiterzugehen?

“Unterlassene Hilfeleistung”, sagt uns allen etwas. Aber natürlich ist das nur verwerflich, wenn es um zufällig menschliche Individuen geht. Was soll denn ausschlaggebend dafür sein, dass wir verpflichtet sind zu helfen, einzuschreiten, zu befreien, Leid zu verhindern? Wirklich die Spezies? Oder vielleicht eher das Leid und die verletzten Interessen?

Wer hier auf die Spezies schaut, kann genauso gut auf die Hautfarbe, das Geschlecht, oder die Religion schauen. Das mag provokant erscheinen, aber letztendlich ist es einfach diskriminierend, sich willkürliche Merkmale herauszusuchen, aufgrund derer man plötzlich das Recht auf Hilfe oder überhaupt Leben verwehrt.

Wir sollten verpflichtet sein, bei diesen ungerechten Gefangenschaften sofort einzugreifen, zu befreien und zu retten, egal ob es um menschliche oder nichtmenschliche Tiere geht. Egal, ob es die Kuh in der Milchindustrie, das Schwein im Biostall oder der Hund im heißen Auto ist. Egal, um welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder welche Herkunft es geht!

Und was machen wir stattdessen? Was tun wir, nachdem wir sachlich erklärt bekommen, dass Tierausbeutung verwerflich ist, oder nachdem wir Bilder gezeigt bekommen, die unsere brutale Tierindustrie zeigen?

Wir hören selbst nicht mal auf, diese Ausbeutung zu unterstützen. Wir machen verdammt noch mal einfach weiter, als wäre nichts gewesen.