Wie ist es möglich, sich den heutigen Fleischkonsum als „natürlich“ zu rechtfertigen?
Davon abgesehen, dass die Argumentation „Es war immer so, also muss es so bleiben“ in jedem Anwendungsfall schwach bis nahezu absolut unsinnig ist, so scheint die in diesem Zusammenhang damit implizierte Behauptung „Es ist gerade so, wie es früher schon immer war.“ absolut lächerlich.
Früher, als das Leben noch kurz, wild und gefährlich war, wo Menschen noch wirklich darum kämpfen mussten, ihre primären Bedürfnisse zu befriedigen, da war natürlich alles besser. Heutige Männer würden sich am liebsten über steinzeitliche Jagderfolge definieren. Da können sie der Frau zeigen, dass sie toll sind.
Dass sie die nötige Fitness, die nötige Taktik und das nötige Teamwork besitzen, um auch große Tiere zur Strecke zu bringen.
Deshalb wollen Männer ungern auf Fleisch verzichten, es ist der letzte Beweis ihrer Fähigkeiten.
Um ein Tier zu fangen, legten Menschen damals weite Strecken zurück. Strecken, die sich heute niemand mehr vorstellen kann, weil sie um ein vielfaches länger waren, als die heutzutage durchschnittliche Wanderstrecke bis zur Toilette. Nein, sie sind nicht mit dem Auto gefahren und öffentliche Verkehrsmittel gab es auch nicht.
Auch das Sammeln von Früchten war nicht einfach. Es musste ein ganzer Stamm ernährt werden.
Um ein Tier zu erlegen, musste man wandern, lauern, sprinten, kämpfen und in der Lage sein, Werkzeuge (Waffen) zu benutzen. Die Gruppe, die mit einem Tierkadaver zurückkam, der der Gemeinschaft die nächsten 3 Tage sicherte, hatte natürlich berechtigterweise Anerkennung verdient.
Aber heute zu behaupten, dass unsere Tierindustrie auch nur irgendetwas mit früher notwendiger Jagd zu tun haben würde, kann doch nur ein Scherz sein, oder?
Oder muss ich das Beschaffen der Salami mit anderen Augen sehen?
Ich habe seit gut einer Stunde nichts mehr gegessen. Ich muss mir irgendwie etwas zum Essen beschaffen.
Wenn ich es nicht schaffe, dann könnte sich mein Appetit schon bald in Vorstufen von Hunger verwandeln.
Ich darf gar nicht darüber nachdenken. Ich muss handeln!
Oh nein, es ist draußen dunkel und stürmisch! Da sind bestimmt Windgeschwindigkeiten von über 13 km/h am Werke. Zusätzlich nieselt es noch.
Somit ist ein Regenschirm völlig nutzlos. Die Tropfen werden einfach darunter geweht. Ich muss zum Autoschlüssel greifen. Mir bleibt nichts anderes übrig.
Ich reiße mich zusammen und versuche, die ungeschützten 5 Meter zu meinem Auto möglichst schnell zu bewältigen.
Endlich sitze ich am Steuer und kann noch ein letztes Mal durchatmen, bevor ich mich auf die gefährlichen Straßen begebe.
Nach 300 Metern lebensgefährlicher Autofahrt, muss ich auf dem Supermarktparkplatz mit unzähligen Konkurrent*innen um freie Parkmöglichkeiten kämpfen.
Nach erfolgreich gewonnener Schlacht sprinte ich in knappem Jogg-Tempo auf den Supermarkt zu. Welch eine Leistung!
Es ist noch gut vor 22 Uhr! Ich bin völlig außer Atem. Aber ich darf nicht schlapp machen. Immerhin könnte mir jemand das letzte Exemplar meines Begehrens vor der Nase wegschnappen. Eine mühsam verdiente 1-Euro-Münze muss ich einem Einkaufswagen anvertrauen. Aber wenn ich das nicht tue, dann bin ich gezwungen, die eigenen Hände zum tragen zu verwenden. Also überwinde ich mich.
Ich gehe zügig durch den Laden zu der Tiefkühlabteilung. Der Schweinebraten ist durch Glasscheiben geschützt!
Mit scharfem Verstand analysiere ich den Mechanismus, der dahinter steckt und kann das ehemalige Tier nun mit beiden Händen blitzschnell fangen.
Während ich es in den Einkaufswagen hieve, kann es meinen festen Klauen nicht entkommen.
Ich schleppe es bis zur Kasse und muss, nachdem ich meine Geldkarte in die Nähe eines Geräts gehalten habe, mit bloßer Gedächtnisleistung einen mehrstelligen Zahlencode eintippen, ohne den es mir verwehrt bliebe, meine Zähne in dieses so aufwendig gezüchtete, vorgetötete Tier zu versenken.
Ohne das Teamwork mit den Menschen der Antibiotika-Industrie, des Anbaus von genmanipuliertem Soja und der Massenzuchtbetriebe wäre diese Errungenschaft unerreichbar gewesen!
Es hat einige Millionen Jahre gedauert, bis der Induktionsherd entwickelt wurde, der sich nun auf den Betrieb freuen darf.
Ich bin sehr stolz auf mich.
Ist es das, was jene Leute durchleben, die auf die Natürlichkeit des Fleischkonsums oder die Vorfahren als Jäger*innen verweisen wollen?
So ein aufregendes Leben ist beinahe beneidenswert.
Nein, unsere Tierindustrie hat nichts mit dem zu tun, was einmal überlebensnotwendig war.
Wir sind nicht auf Fleisch angewiesen und haben die absolut freie Wahl, ob und wer für unser Essen sterben muss.