Du schreist nach Freiheit. Nach der Freiheit, essen zu können, was du möchtest. Niemand soll dir vorschreiben, was du zu kochen hast. Jede*r soll für sich selbst entscheiden können.

Ich kann diese Ansicht oder viel mehr die Emotion dahinter verstehen. Wir wollen uns doch alle ungern Dinge vorschreiben lassen. Wenn du dich mit dem Wunsch der Handlungsfreiheit jedoch an Tierrechtsaktivisti wendest, dann solltest du zuvor die andere Perspektive verstehen. Ansonsten entsteht nur gegenseitiges Unverständnis.

Oft hören wir Tierrechtsbefürwortende, dass wir niemandem „unsere“ Ernährung aufzwingen sollen, man versuche uns schließlich auch nicht, die eigene Ernährung aufzuzwingen. Hier werden moralische Forderung und persönliche Neigung oft verwechselt. Bei solch einer Aussage werden die Motivationen zu beiden Ernährungseinstellungen fälschlicherweise gleichgesetzt. Der Grund für die omnivore Ernährung ist in den meisten Fällen Gewohnheit. Es besteht eine ethische Gleichgültigkeit. Es steht keine moralische Forderung hinter dem Fleischkonsum bzw. dem Konsum von Tierprodukten. Und umgekehrt findet es kaum jemand verwerflich, kein Fleisch zu essen.

Es handelt sich bei der Ernährung in der Regel also einfach um eine persönliche Neigung. In etwa wie bei der Wahl der Farbe des T-Shirts, das ich anziehe. Natürlich würde ich aus der Motivation des persönlichen Geschmacks heraus niemandem aufzwingen wollen, dasselbe Shirt wie ich zu tragen. Wenn wir einen persönlichen Kleidungsstil mit einem persönlichen Ernährungsstil vergleichen, dann wird in beiden Fällen wenig Anspruch bestehen, andere Leute überzeugen zu wollen, dasselbe zu tragen oder zu essen. Das wäre beispielsweise bei der Frage der Fall, ob ich Marmelade mit oder ohne Margarine darunter esse. Da ist es mir herzlich egal, wie andere Menschen das handhaben.

Viele können die Einstellung, dass die eigene Freiheit dort ende, wo die Freiheit anderer beginne, nachvollziehen. Die moralische Forderung hinter Tierrechten und daraus resultierender pflanzlicher Ernährung geht genau auf diese Einstellung zurück. Denn Fleischkonsum ist keine rein persönliche Angelegenheit. Es gibt betroffene Dritte, deren Freiheit dadurch eingeschränkt wird, um das ganze möglichst harmlos auszudrücken.

Die Idee, dass es ethisch verwerflich ist, die Opfer der Tierindustrie für den Luxus des Fleischkonsums zu quälen und ihnen grundlegende Rechte abzusprechen, führt zu der Pflicht, sich für die Rechte der Betroffenen einzusetzen. Diese Pflicht, sich für Individuen einzusetzen, deren Rechte verletzt werden, dürften viele nachvollziehen können.

Begegnen wir draußen einer Ungerechtigkeit, so bezeichnen wir es oft als „Zivilcourage“, wenn wir diese nicht akzeptieren und uns für die Betroffenen einsetzen. Bewegen wir uns in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen, in der „Mainstreamethik“, so ist dieses Verhalten äußerst positiv konnotiert.

Um den Antrieb hinter der Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit des Tierrechtsaktivismus zu verstehen und zu Erkennen, dass es wichtig ist, diese aktiv auszuüben, muss also ein anderer Vergleich herhalten. Um sich selbst als jemand darzustellen, der an der Stelle des Tierrechtsaktivisti nicht „missionieren“ würde, müsste ein Beispiel her, in dem eine moralische Forderung gleichgültig betrachtet und den Anderen die Freiheit ihrer Missachtung aktiv zugesprochen wird.

Statt: „Ich versuche dich doch auch nicht zu überzeugen, Fleisch zu essen“, müsste es also beispielsweise heißen: „Ich versuche dich doch auch nicht zu überzeugen, betrunken kein Auto zu fahren“, oder „Ich versuche dich doch auch nicht zu überzeugen, deine*n Partner*in nicht mehr zu verprügeln“.

Ich möchte, auch im Sinne meiner Hoffnung an die Menschheit, davon ausgehen, dass hier den meisten doch auffällt, dass sie dieses Verhalten in den Beispielen nicht richtig fänden. Natürlich ist es die Pflicht, zu verhindern, dass Menschen betrunken Autofahren. Hier handelt es sich nicht um eine persönliche Neigung, bei der alle „selbst entscheiden können“, da Dritte unter dieser Handlung leiden. Gleiches gilt für das Beispiel der Gewalt gegenüber anderen Menschen. Niemand plädiert doch dafür, dass alle selbst entscheiden können sollen, wem sie Gewalt antun. Denn das Recht der Betroffenen auf Unversehrtheit steht natürlich über der „Freiheit, Gewalt auszuüben“.

Und Tiere essen fällt aus Tierrechtssicht in genau diese Kategorie, weil hier den Tieren Gewalt aufgezwungen wird. Gewalt durch die Gefangenschaft, Gewalt durch das Töten und Gewalt in der gesamten Behandlung der leidensfähigen Individuen.

Wer die Tierrechtsforderung also nicht als ethisch erkennen will und nicht nachvollziehen kann, wieso es wichtig ist, sich stark zum Schutz der Betroffenen einzusetzen, sagt damit im Grunde nur aus, dass das Leid von Tieren für ihn*sie keinen ethischen Wert hat. Dass also nichtmenschliche Tiere keine ethische Relevanz haben.

Auf der einen Seite kann man selbst dann aber zumindest respektieren, dass anderen Menschen das Leid von Tieren nicht egal ist und aufhören, ihr Engagement zur Leidvermeidung zu verurteilen. Auf der anderen Seite kann man aber auch selbst gut zu dem Schluss kommen, dass das Leid von nichtmenschlichen Tieren nicht irrelevant ist. Man müsste sich nur einmal auf die Idee entgegen der Norm einlassen, an Hunde und Katzen denken und die konsequenten Schlüsse ziehen.

Die Fragen, ob nichtmenschliche Tiere ethisch zu beachten sind und in welchem Ausmaß die Tierindustrie die Interessen der Tiere verletzt, sind also die eigentlichen Punkte, die es zu klären gilt. Hier empfehle ich das Zuhören und Nachvollziehen, statt das Verurteilen des Engagements zum Schutz der Leidenden.