Am Anfang habe ich gebrannt. Ich hatte ein Feuer in mir, dass die Glut in meinen Adern warm hielt.
Diese Wut der Gerechtigkeit, das Verlangen, die Welt zu verändern, Energie, die mich durch Wände rennen ließ.
Es war die Zeit, in der ich frisch aus einem hoffnungsvollen Weltbild kam und ein positives Menschenbild hatte, als mir die ersten Bilder vor die Augen kamen, wie wir mit anderen Tieren umgehen. Dann dauerte es noch ein bisschen, bis ich die Dimensionen davon realisiert habe und unsere Verantwortung. Ich war Teil davon, aber ich fand es schlimm. Ich empfand Frust und Wut bei den Bildern unserer Tierhaltung. Aber wie soll man sich empören, wenn man selbst seinen Teil dazu beiträgt?
Meine Abneigung gegen unsere Tierausbeutung wurde so groß, dass ich einfach nicht mehr mitspielen wollte und konnte. Damals hatte ich wenig Ahnung vom veganen Leben, aber meine Bereitschaft, meinen Konsum zu verändern, war riesig. Ich rechnete mit enormem Verzicht und ich war bereit dafür. Das Feuer lieferte die Kraft. Ich hätte wohl auch weiter gemacht, wenn es ein langfristiger Verlust geblieben wäre und meine anfänglichen Bauchschmerzen aufgrund der Ernährungsumstellung nie verflogen wären. Ich hatte eine Idee davon, wie es sich anfühlt, wenn man aufgrund einer Ungerechtigkeit über sich hinauswächst.
Menschen können große Kraft entwickeln durch ihre Empathie und ihr Gerechtigkeitsempfinden. Es ist das klassische Held*innenklischee. In meiner Realität bei dieser Thematik war das Ganze natürlich unglaublich unspektakulär. Denn auch wenn ich diese Wut spürte, habe ich letztendlich nur mein Käseomelette durch eine Gemüsepfanne ersetzt. Es kam mir viel zu einfach vor. Als sei das bereits alles, was wir machen müssten, um das Leid von den täglich 2 Millionen geschlachteten Tieren in Deutschland zu beenden. Wir schreddern und vergasen Küken, weil wir Eier essen wollen. Und wir töten die Kinder von Kühen, weil wir Milch trinken wollen.
Und so vieles mehr, in einer so großen Dimension.
Aber alles was ich tat, war, meine Ernährung zu ändern.
Es fühlt sich nicht verhältnismäßig an, aber an sich war es eine positive Erkenntnis. Ein solch verhältnismäßig einfacher Schritt reicht im Grunde aus, um unsere Gewalt gegenüber Tieren zu beenden. Ganz abgesehen von den vielen anderen Vorteilen bezüglich Ressourcen, Klimaschutz, Umweltschutz, Antibiotika u. v. m. Warum also haben wir das nicht längst schon alle getan?
Mein Unverständnis war riesig und mein Feuer brannte noch. Es sollten einfach alle Menschen erfahren, was da hinter den Mauern in den Schlachthöfen passiert. Niemand würde so etwas unterstützen wollen. Wir würden uns alle darüber empören, auf die Straße gehen, unsere Ernährung umstellen und für die Freiheit dieser Tiere kämpfen! Oder?
Und dann kam die Realität. Dann lernte ich die Gleichgültigkeit der Menschen kennen, die Bequemlichkeit, den Trotz, die Ausreden. Meine Erwartungshaltung, dass ich mich mit anderen Menschen gemeinsam darüber empören könnte, dass wir alle wütend wären, wurde gebrochen. Jetzt hat die unbeschreiblich brutale Realität es geschafft, ihre Grausamkeit zu rechtfertigen. Einfach durch die negativen Erfahrungen, die man macht, wenn man versucht, dagegen zu sein. Die Summe der kleinen Bemerkungen, Sprüche, komischen Blicke, die Kritiken von Menschen, die meinen, einem erklären zu müssen, wie man andere erfolgreicher veganisiert, obwohl sie einfach nur ihre Ruhe haben wollen.
Die Notwendigkeit, das eigene Gerechtigkeitsempfinden in allen möglichen sozialen Kontexten zu unterdrücken, um noch gesellschaftlich zu funktionieren. All diese Dinge summieren sich auf und dämmen das innere Feuer ein. Und plötzlich ist man froh, wenn man einfach sein pflanzliches Essen genießen kann, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Welch traurige Entwicklung ist das?
Ich will mein inneres Feuer zurück! Ich will mich wieder angemessen über diese Grausamkeiten empören können! Denn wider aller Behauptungen hat das tatsächlich etwas bewirkt! Lasst die Normalität nicht gewinnen! Und an jene, die Teil dieser Normalität sind: Macht es den leider viel zu wenigen Menschen nicht noch schwieriger, für eine bessere Welt einzustehen! Informiert euch, werdet wütend und helft mit, die Welt ein Stück besser zu machen, statt eure Energie für einen schlechten Vegan-Witz oder ein Lippenbekenntnis zu verschwenden.
Vielen Dank!